Krebserkrankungen entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel von angeborenen genetischen und sozio-kulturellen Eigenschaften sowie pysikalischen, chemischen und biologischen Einflüssen. Sie sind quantitativ und qualitativ unterschiedlich ausgeprägt und mögen die Ursache dafür sein, dass Männer weltweit betrachtet 1,4-fach häufiger an Krebs erkranken als Frauen. Schließt man gynäkologische Tumoren aus der Statistik aus, so sind Neuerkrankungen bei ihnen sogar 1,8-fach häufiger als bei Frauen. An Krebs erkrankte Männer haben in der Regel auch eine signifikant geringere Lebenserwartung als Frauen. Ob dies daran liegt, dass die Erkrankungen aggressiver sind oder ob bei Frauen über bestimmte Schutzfaktoren verfügen, ist völlig unklar.
Krebshäufigkeiten bei Frauen und Männern
Die unterschiedlichen Risiko- und Prognosefaktoren beim männlichen Geschlecht bzw. die günstigeren Schutzfaktoren bei Frauen werden sowohl in der Therapie als auch bei den Strategien zur Krebsprophylaxe unzureichend berücksichtigt. Tumoren mit deutlicher Präferenz für das männliche Geschlecht betreffen die Lunge, die Harnblase, Niere, Leber, Darm und Magen. Tumoren, die signifikant häufiger bei Frauen auftreten (mit Ausnahme des Brustkrebses) sind die Schilddrüse und die Gallenblase (van den Berg und Kindler-Röhrborn 2012).
Krebs-Erkrankungs-Risiken bei Männern und Frauen (modifiziert nach Robert Koch Institut 2015)
- Darmkrebs: jeder 14. Junge und jedes 18. neugeborene Mädchen
- Magenkrebs: jeder 52. Junge und jedes 77. neugeborene Mädchen
- Leberkrebs: jeder 84. Junge und jedes 200. neugeborene Mädchen
- Nierenkrebs: jeder 55. Junge und jedes 94. neugeborene Mädchen
- Blasenkrebs: jeder 41. Junge und jedes 120. neugeborene Mädchen
- Lungenkrebs: jeder 15. Junge (6, 7 %) und jedes 29. Mädchen
- Bauchspeicheldrüsenkrebs: jeder 60. Junge und jedes 59. neugeborene Mädchen
- Malignes Melanom: jeder 50. Junge (6, 7 %) und jedes 52. Mädchen
- Schilddrüsenkrebs: jeder 300. Junge (0,3 %) und jedes 120. Mädchen
- Gallenblasen- und Gallengangkrebs: jeder 220. Junge (0,5 %) und jedes 180. Mädchen
Unterschiedliche Geschlechts-Chromosome
Auf dem X-Chromosom liegen ungefähr 1500 Gene, die eine wichtige Funktion für Herz und Kreislauf, Hirnfunktion, Immunsystem und indirekt auch für die Krebsdisposition haben. Frauen haben das X-Chromosom doppelt; das zweite Exemplar dient wahrscheinlich nicht nur als Reservepool. Auf dem Y-Chromosom der Männer liegen nur 78 Gene, die vor allem Aufgaben für die Sexualfunktion haben. Die unterschiedlich Ausstattung der Geschlechtschromosome erklärt sicherlich einige biologische Vor- und Nachteile bei der Krebsentwicklung.
Unterschiedliche Krebsgene
Angeborene Tumorsensitivitäts- und Resistenzgene modifizieren das Krebsrisiko. Einige von ihnen sind ausschließlich geschlechtsspezifisch angelegt. So verursachen mutierte BRCA-Gene bei Frauen Brust-, Eierstock- und Gebärmutterkrebs, bei Männern begünstigen sie hingegen das Prostatakarzinomrisiko. Ein Prozent aller Brustkrebserkrankungen kommen bei Männern vor; sie sind meist auch eine Folge angeborener mutierter BRCA-Gene.
Eine indirekt zu Krebs disponierende Bedeutung haben vererbbare Risikogene, die einen relevanten Einfluss auf den Hormonhaushalt ausüben. Zu ihnen zählt das D5A2-Gen, das den Testosteronhaushalt beeinflusst und die Entwicklung eines Prostatakarzinoms begünstigen soll.
Manche vererbbare Risikogene begünstigen weniger die Entstehung und Aggressivität von Krebszellen als die Anfälligkeit des Gewebes (Microenvironment). Sie vermindern oder verstärken die Empfindlichkeit für Schadstoffe und beeinflussen so die Invasion von Krebszellen.
Unterschiedlicher Einfluss der Sexualhormone
Ein wichtiger biologischer Einflussfaktor sind die Sexualhormone. Östrogene haben mannigfaltige Einflüsse auf biologische Prozesse, auf die Psyche, die Stressverarbeitung, das Sozialverhalten, die wiederum die Entstehung und Entwicklung von Krebs beeinflussen. Die hormonellen Veränderungen in und nach den Wechseljahren wirken auch auf die Entwicklung und Aggressivität anderer Karzinomerkrankungen ein. So soll die kombinierte Östrogen/Gestagen-Therapie, eine beliebte Behandlung bei Wechseljahrbeschwerden, das Lungenkrebsrisiko von Frauen erhöhen. Hormone sind wahrscheinlich die Ursache dafür, dass Frauen sehr viel häufiger als Männer an einem Adenokarzinom der Lunge erkranken.
Beobachtungsstudien sprechen für eine Schutzwirkung weiblicher Geschlechtshormone gegen den Dickdarm-, nicht jedoch Enddarmkrebs. Hormonelle Verhütungsmittel (die Pille) sollen das Darmkrebsrisiko geringfügig verringern, was auf den Effekt des Östrogenanteils in den Kombinationspräparaten zurückgeführt wird.
Leberadenome sind vor allem bei jungen Frauen häufig, die eine hormonale Kontrazeption (Pille) durchführen. Bei 80 % der Leberadenome besteht ein Zusammenhang mit der Einnahme der „Pille“.
Unterschiedlicher Einfluss der Ernährung
Dass die Ernährung einen Einfluss auf die Entwicklung bestimmter Krebserkrankungen hat, gilt als gesichert. Ernährungsvorlieben sind bei beiden Geschlechtern unterschiedlich ausgeprägt. Männer und Frauen unterscheiden sich wesentlich stärker in ihren Blutfetten als früher angenommen. Unklar ist, inwieweit die Beeinflussung des Krebsrisikos über bestimmte Nahrungsbestandteile erfolgt, oder ob die Art der Nahrungsaufnahme oder bestimmte Schadstoffe oder das unterschiedliche Gewichtsverhalten oder die andersartige Fettverteilung bei beiden Geschlechtern, zur Krebsentstehung beitragen. Noch unklarer ist, ob es neben einer krebsfördernden auch eine krebsfeindliche Ernährung gibt.
Vieles spricht dafür, dass die von Frauen bevorzugte vegetarische und vitaminreiche Ernährung auch bei der Entwicklung einiger Krebserkrankungen eine Rolle spielt. Der hohe Fleisch- und Fettkonsum von Männern könnte eine der Ursachen für deren höheres Darmkrebsrisiko sein.
Unterschiedlicher Einfluss von Übergewicht
Übergewicht gilt als Risikofaktor. 58 Prozent der deutschen Männer und 41 Prozent der deutschen Frauen ab 18 Jahren sind übergewichtig oder stark übergewichtig. Übergewichtigkeit soll eine der möglichen Ursachen für Darmkrebs, besonders bei Männern, sein (Delbrück 2015). Jedoch weniger das in kg messbare Übergewicht als die unterschiedliche Körperfettverteilung scheint das Krebsrisiko beeinflussen. Übergewichtige Frauen neigen zu einer überschüssigen Fetteinlagerung an der Hüfte und den Oberschenkeln, während sich bei übergewichtigen Männern das Fett eher auf die Bauchregion konzentriert. Bauchfett und weniger der „Hüftspeck“ gelten als Krebs gefährdend.
Unterschiedlicher Einfluss von Tabakkonsum
Seit langem ist Tabakrauch als Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs bekannt (Delbrück 2016). Sowohl hinsichtlich des „Raucheinstiegs, des Rauchverhaltens als auch der Nikotinentwöhnung bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede, die mit für die unterschiedliche Gefährdung beider Geschlechter verantwortlich sind.
Das Lungengewebe von Frauen scheint empfindlicher auf Tabakrauch zu reagieren als das von Männern. Raucherinnen sind auch für andere Karzinome schon bei geringerem Tabakkonsum krebsgefährdet. So steigt das Risiko für fortgeschrittene Adenome im Darm bei rauchenden Frauen um 70 Prozent, bei die gleiche Anzahl Zigaretten rauchender Männern hingegen „nur“ um 46 Prozent (Waldmann et al 2016).
Das Rauchverhalten von Frauen gleicht sich zunehmend dem von Männern an. Dies könnte mit der Grund dafür sein, dass bei allen tabaksassoziierten Krebserkrankungen die Erkrankungsraten und Sterblichkeitsraten der Frauen ansteigen, bei Männern hingegen rückläufig sind, zumal deren Tabakkonsum signifikant abgenommen hat.
Frauen haben bei der Nikotinentwöhnung größere Schwierigkeiten als Männer (Walter und Lux 2007).
Frauen wird eine höhere Empfänglichkeit für Werbebotschaften nachgesagt (Walter et al 2007). Die Tabakindustrie hat den Nutzen einer geschlechterdifferenzierten Werbung schon seit langem erkannt und spricht Frauen als eigenständige Zielgruppe, z. B. für Zigaretten, an
Unterschiedliche Therapieempfindlichkeit
Dass Krebserkrankungen bei Frauen häufig anders verlaufen, könnte u. a. an der unterschiedlichen Wirkweise von Medikamenten liegen. Manche Arzneistoffe werden bei ihnen langsamer, andere schneller als bei Männern abgebaut, weswegen es zu einer verschiedenartigen Wirkung — meist assoziiert mit einer höheren Nebenwirkungsrate – kommen kann. Neben der bei beiden Geschlechtern unterschiedlichen Fettverteilung, dem anderen Arzneistoffmetabolismus sind Unterschiede in der Wirkweise, an Rezeptoren und Kanälen bekannt (Thürmann 2008).
Männer und Frauen sollen unterschiedlich sensibel auf lonisierene Strahlen reagieren. Die größere Strahlenempfindlichkeit des weiblichen Geschlechts könnte hormonell bedingt sein, meinen Strahlenforscher (Strahlenschutzkommission 2009).
Geschlechtshormone können die Wirkung von Zytostatika beeinflussen; auch werden die Wirkstoffe von eingenommenen Medikamenten bei beiden Geschlechtern nicht gleichmäßig im Körper verteilt. Manche verteilen sich besonders im Wasseranteil des Körpers, andere gelangen eher ins Körperfett. Der Anteil und die Verteilung von Fettgewebe, Muskelmasse und Körperwasser sind bei beiden Geschlechtern unterschiedlich ausgeprägt, was sich auf die Medikamentenwirkung auswirken kann.
Unterschiedliche Einstellung zur Gesundheit und Krankheit
Männer bewerten ihren Gesundheitszustand im Durchschnitt besser und sind mit ihrer Gesundheit zufriedener als Frauen (Genderreport des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Männer unterschätzen eher ihr Krebs gefährdendes Gesundheitsverhalten; auch neigen sie zur Verdrängung. Ihnen fällt der Gang zum Arzt schwerer, weswegen sich der Therapiebeginn häufig verschleppt. Frauen ordnen ihre Beschwerden anders zu und sprechen auch anders darüber als Männer,
Unterschiedliche Einstellung zur Krebsvorsorge
Die Akzeptanz von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen ist bei Männern und Frauen und könnte mit eine Ursache für den unterschiedlichen Krankheitsverlauf sein. Frauen sind empfänglicher für Empfehlungen zur Krebsvorbeugung. Sie sind eher bereit, sich aktiv mit Erkrankungsrisiken auseinanderzusetzen und ihr Leben danach auszurichten, während Männer erst bei Beschwerden den Arzt aufsuchen . Männer nehmen die Krebsvorsorge weniger ernst. Die höhere Teilnahme von Frauen an Krebsvorsorge- Untersuchungen bestätigt die untersuciedliche Akzeptanz.
Unterschiedliche soziokulturelle Einflüsse
Soziokulturelle Faktoren wie die Berufswahl, der Umgang mit Genussmitteln, Ernährungsvorlieben, Freude an Bewegung und Sport, die Einstellung gegenüber Krebs gefährdende Noxen sind von Bedeutung und bei beiden Geschlechtern unterschiedlich ausgeprägt.
Unterschiedliche Exposition Krebs begünstigender Schadstoffe in der Umwelt: Die Berufswahl von Männern und Frauen ist auch heute noch sehr unterschiedlich; Männer gehen häufiger gesundheitsgefährdenden Berufen nach und sind häufiger Krebs fördernden Schadstoffen wie z. B. Asbest ausgesetzt. Das Pleuramesotheliom, bei dem in der Regel eine Assoziation mit einer meist beruflichen Asbestexposition besteht, ist 5-mal häufiger bei Männern, die beruflich mit diesem Baustoff in Berührung kamen.
Mit der Emanzipation und der außerhäuslichen Berufstätigkeit von Frauen verwischen sich geschlechtsspezifische Unterschiede.
Unterschiedliche Alkoholverträglichkei
Der Alkoholkonsum ist in den westlichen Industrienationen mit für einen beträchtlichen Teil der Krebserkrankungen verantwortlich. Männer konsumieren mehr Alkohol und illegale Drogen als Frauen; Frauen sind hingegen häufiger von Medikamenten abhängig. Dass bestimmte Krebskrankheiten bei Frauen zunehmen, hängt auch zusammen mit deren, sich veränderndem Lifestyle, wie z. B. dem höheren Tabak- und Alkoholkonsum.
Fest steht, dass der Schwellenwert einer Krebsgefährdung durch Alkohol bei Frauen niedriger ist als bei Männern. Schon bei täglich etwa 20 Gramm Alkohol – ein Viertel Wein oder zwei Glas Bier – sollen Frauen ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben; bei Männern liegt die Grenze bei etwa 40 Gramm täglich. Andere Autoren setzen die Schwellenwerte für Alkohol noch niedriger an, nämlich 12 g täglich für Frauen und 24 g täglich für Männer. Dass bei Frauen der Schwellenwert so viel niedriger als bei Männern ist, hängt auch mit dem verzögerten Abbau von Alkohol zusammen, bedingt durch die geringere Konzentration des Alkohol abbauenden Enzyms (ADH).
Lungenkrebs: Warum steigt die Rate bei Frauen
Die Tatsache, dass sich die Gewebeform, der Krankheitsverlauf, die Inanspruchnahme und Wirkweise von Chemotherapien bei Frauen in vielerlei Hinsicht von jenen bei Männern unterscheiden, hat dazu geführt, dass manche Autoren eine völlig andere Krebskrankheit der Lunge bei Frauen und Männern vermuten
Genderspezifische Besonderheiten bei Lungenkrebs:
- der Anteil an Nichtrauchern ist bei Lungenkrebspatientinnen signifikant höher
- Frauen sind schon bei geringerem Tabakkonsum krebsgefährdet.
- Frauen erkranken wesentlich häufiger an einem Adenokarzinom der Lunge
- An Lungenkrebs erkrankte Frauen haben eine bessere Überlebensprognose
- Je nach Geschlecht sprechen Krebsmedikamente unterschiedlich an. Etwa 10 % der erkrankten Frauen – überwiegend Nichtraucherinnen – haben Mutationen im EGF-Rezeptor-Gen und profitieren in besonderer Weise von einer spezifischen Gen-orientierten Therapie. Es kommen bei ihnen mehr „zielgerichtete Therapien“ zum Einsatz
- Bei Frauen besteht eine gewisse Abhängigkeit vom Hormonstatus. In Zellkulturen von Krebszelllinien wurden die Östrogenrezeptoren alpha (ERα) und beta (ERβ) nachgewiesen
Galt der Lungenkrebs früher als typische Männererkrankung, so hat sich dies seit einigen Jahren geändert, denn Frauen sind zunehmend betroffen. Anders als Männer, erkranken vor allem junge Frauen. Ursächlich vermutet man das unterschiedliche Rauchverhalten. Auch scheint Tabak eine stärkere kanzerogene Wirkung zu haben als beim männlichen Geschlecht. Bei männlichen Jugendlichen ist der Tabakonsum seit einigen Jahrzehnten rückläufig, bei Frauen nimmt er hingegen zu.
Zusammenhang zum Rauchen
Es bestehen Unterschiede beim Rauchereinstieg, beim Raucherausstieg und bei der Nikotinentwöhnung (Walter und Lux 2007). So geben junge Frauen deutlich häufiger als gleichaltrige Männer an, zur Stressbewältigung zu rauchen (Oakley et al 1992). Schichtzugehörigkeit und Bildungsstatus sind mit dem Tabakkonsum assoziiert. Die höchste Rauchprävalenz weisen in Deutschland Arbeitslose auf. In der Gruppe der 18- bis 29-jährigen Arbeitslosen rauchen drei Viertel der Frauen und zwei Drittel der Männer (Lampert und Burger 2005).
Das veränderte Rauchverhalten allein erklärt nicht, warum sich das Geschlechterverhältnis bei Lungenkrebs kontinuierlich zu Ungunsten der Frauen entwickelt. Gegen das veränderte Rauchverhalten als einzige Ursache spricht z. B. die Tatsache, dass Lungenkrebs bei Nichtraucherinnen sehr viel häufiger ist und stärker zugenommen hat als bei männlichen Nichtrauchern. Circa 40 % aller an Lungenkrebs erkrankten Frauen geben an, noch nie geraucht haben. Besonders in Asien erkranken wesentlich mehr Nichtraucherinnen. Afroamerikanische Frauen erkranken häufiger an Lungenkrebs als weiße Frauen, gleichwohl in den USA mehr weiße (20 %) als afroamerikanische Frauen (17 %) rauchen.
Einfluß von Geschlechthormonen
Frauen erkranken wahrscheinlich aufgrund des Einflusses der weiblichen Geschlechtshormone sehr viel häufiger als Männer an einem Adenokarzinom. Die Geschlechtshormone haben überhaupt einen Einfluss. Aus Beobachtungsstudien geht hervor, dass eine Hormonersatztherapie (HRT) sich nach den Wechseljahren nachteilig auf das Lungenkrebsrisiko auswirkt (Graham et al 2013). Die Lungentumore sollen besonders bösartig sein.
Es gibt erhebliche Unterschiede in der Therapieempfindlichkeit. Frauen profitieren von der prophylaktischen Einnahme von Aspirin mehr als Männer. Der Grund könnte die bessere Wirkung von Aspirin auf Adenokarzinome sein, denn Frauen erkranken häufiger an einem Adenokarzinom der Lunge als Männer. Als Ursache kommen aber auch strukturelle Unterschiede der Erbanlage in Frage. Aspirin wirkt z. B. vorwiegend bei einer speziellen Genmutation (PIK3CA) sowie einem Subtyp des BRAF-Gens und bei hohen PGDH-Werten. Etwa jeder sechste Mensch hat eine solche Genmutation (Liao, X et al. 2012). Etwa 10 % der erkrankten Frauen – überwiegend Nichtraucher – haben Mutationen im EGF-Rezeptor-Gen und profitieren in besonderer Weise von einer spezifischen Gen-orientierten Therapie. Es kommen bei Frauen mehr „zielgerichtete Therapien“ zum Einsatz
Tabakentwöhnung
Unterschiede gibt es auch bei der Tabakentwöhnung. Während Frauen dazu tendieren, bei negativen Emotionen rückfällig zu werden, durchbrechen Männer eher bei sozialen Ereignissen mit positiver emotionaler Färbung die begonnene Tabakabstinenz. Auch das zur Nikotinentwöhnung zugelassene Antidepressivum Bupropion wirkt unterschiedlich stark. Es zeigt bei Frauen eine geringere Effektivität als bei Männern.
Vor allem Frauen haben Angst vor einer Gewichtszunahme, wenn sie mit dem Rauchen aufhören. Nicht selten halten sie am Tabakkonsum fest, um nicht zuzunehmen. Für so manche Frau ist die Gewichtszunahme nach dem Rauchen schwerer zu ertragen als drohende gesundheitliche Schäden. Die meisten Raucherinnen nehmen an Körpergewicht zu, wenn sie aufhören zu rauchen, und zwar durchschnittlich mehr als Männer.
Im ersten Jahr nach dem Rauchstopp beträgt bei ihnen die durchschnittliche Gewichtszunahme etwa 4 bis 6 kg. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Einer ist der bessere Appetit. Rauchen unterdrückt nämlich das Hungergefühl. Nikotin macht über denselben Schaltkreis im Gehirn satt, der über Hunger und Sättigung entscheidet und der normalerweise von den Signalen aus dem Verdauungstrakt beeinflusst wird. Ex-Raucher verspüren noch wochenlang ständig Hunger, weil das appetithemmende Nikotin fehlt.
Ein weiterer Grund ist, dass Nikotin den Stoffwechsel beschleunigt. Wer mit dem Rauchen aufhört, schraubt seinen Stoffwechsel wieder auf das persönliche Normalmaß herunter; der gewohnte Kalorienbedarf und die notwendige Energiezufuhr stimmen dann nicht mehr überein, was bei unverändertem Essverhalten – ja häufig besserem Appetit – mit einer Gewichtszunahme verbunden ist. Das fehlende Nikotin führt dazu, dass der Körper etwa 200 Kilokalorien zusätzlich verbrennen muss, die früher das Nikotin übernommen hat.
Eine weitere Ursache können die vielen kleinen Leckereien sein, zu denen besonders Frauen gerne greifen, um „das Rauchen zu vergessen“.
Darmkrebs bei Männern deutlich häufiger
Männer haben ein höheres Darmkrebsrisiko. Während jeder neugeborene 14. Junge später an Darmkrebs erkrankt, ist es „nur“ jedes 18. neugeborene Mädchen.
Genderspezifische Besonderheiten beim Darmkrebs:
- Männer sind gefährdeter
- Die Zahl der Neuerkrankungen und Sterbefälle nimmt bei Frauen ab, bei Männern ist die Sterblichkeit hingegen konstant
- Darmkrebsrisiken wie Übergewicht, Bauchfett, fett- und fleischreiche Ernährung sind bei Frauen seltener
- Rauchen hat bei Frauen einen stäkeren Einfluss auf die Bildung von Darmkrebsvorstufen
- Die weiblichen Geschlechtshormone wirken sich schützend aus
- Krebsfördernder Alkohol- und Tabakkonsum ist bei Männern häufiger
- Gebärmutter- und Eierstockkrebs ist häufiger mit Darmkrebs assoziiert
Ernährung Hauptunterschied?
Unterschiedliche Ernährungsvorlieben werden am häufigsten als Ursache für die häufigeren Darmkrebserkrankungen bei Männern genannt. Männer setzen den Schwerpunkt der Ernährung eher bei tierischen Fetten, Frauen bevorzugen hingegen eine ballaststoffreiche Kost. Hinzu kommt bei ihnen der höhere Alkohol- und Zigarettenkonsum, der sich auch krebsfördernd auswirken soll (Delbrück 2015).
58 Prozent der deutschen Männer und 41 Prozent der deutschen Frauen sind übergewichtig oder stark übergewichtig. Übergewicht gilt als Risikofaktor für Darmkrebs, wobei jedoch wahrscheinlich nicht der BMI bzw das mit Kg gemessene Übergewictht, sondern die mit Übergewicht assoziierte unterschiedliche Fettverteilung für das Darmkrebsrisiko entscheidend ist. Dicke Männer haben eine ungünstige Fettverteilung, denn bei ihnen lagert sich das überschüssige Fett vorrangig im Bauchraum ab (Bauchfett), wohingegen sich bei adipösen Frauen das überschüssige Fett eher an den Hüften anlagert (Hüftspeck). Bauchfett ist deswegen eher Darmkrebs fördernd, weil es im Gegensatz zum Hüftspeck mehr Entzündungsfaktoren und die Krebs fördernden Hormone Leptin und Adiponektin produziert.
Fleischkonsum
Der Fleischkonsum ist bei beiden Geschlechtern unterschiedlich. Dem Fleischkonsum, speziell dem roten Fleisch, wird ein Darmkrebs fördernder Einfluss zugeschrieben. Unter Frauen findet man signifikant mehr Vegetarier als unter Männern. Frauen bevorzugen auch eine an Obst und Gemüse reiche Ernährung, der einige Experten eine Schutzwirkung nachsagen. Mehr als 60 % der Studentinnen wählen in den studentischen Mensen das vegetarische Gericht; unter den männlichen Studenten sollen es nicht einmal 20 % sein.
Die Geschlechtshormone haben einen Einfluss. Die Beobachtung, dass Frauen bis zu den Wechseljahren deutlich seltener als Männer an Darmkrebs erkranken, gab zu der Vermutung Anlass, dass die weiblichen Geschlechtshormone sich präventiv gegen Darmkrebs auswirken. Einige Beobachtungsstudien sprechen hierfür, allerdings nur für den Dickdarm-, nicht jedoch gegen den Enddarmkrebs. Dass sich die weiblichen Geschlechtshormone schützend auswirken findet auch durch die Erfahrung eine Bestätigung, dass die Einnahme hormonell wirkender Verhütungsmittel (die Pille) das Darmkrebsrisiko statistisch verringert (RR = 0,9) (Farquhar et al 2005). Auch stellte man in den gleichen Beobachtungsstudien, in denen man häufigere Brustkrebserkrankungen nach einer kombinierten Östrogen/Gestagen-Therapie (Hormoneratztherapie gegen Wechseljahresbeschwerden) ermittelte, überraschenderweise ein geringeres Risiko für Darmkrebs bei den Frauen fest, die hormonell behandelt wurden. Rauchen beeinflusst bei beiden Geschlechtern die Entstehung von Darmkrebs. Frauen scheinen allerdings empfindlicher auf Tabakrauch zu reagieren als Männer. So steigt das Risiko für fortgeschrittene Adenome im Darm bei rauchenden Frauen um 70 Prozent, bei Männern hingegen „nur“ um 46 Prozent (Waldmann et al 2016).
Schätzungsweise 2 bis 3 % aller Darmkarzinome entstehen im Rahmen des vererbbaren Lynch-Syndroms. Neben dem stark erhöhten Risiko für Darmkrebs haben Frauen mit diesem Krebssyndrom ein stark erhöhtes Risiko für ein Karzinom der Gebärmutter sowie der Eierstöcke
Leberkrebs bei Männern dreimal so häufig
Männer erkranken in unseren Breitengraden zwei- bis dreimal häufiger an Leberkrebs. In den Tropen und in der Dritten Welt ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener, denn dort ist die chronische B-Hepatitits der häufigste Risikofaktor, die Männer wie Frauen im gleichen Maße befällt.
Bei uns beträgt das Lebenszeitrisiko für einen neugeborenen Jungen beträgt 1,2 % (1/ 84) und 0,5 % für Mädchen (1/ 200). Wichtigster Risikofaktor für Leberkrebs ist die Leberzirrhose, gleichgültig, ob diese Folge einer Fettleber, von Alkohol- und Drogenkonsum oder einer chronischen Hepatitis ist. Die Fettleber, eine Leberzirrhose als Endtadium einer chronischen Hepatitis C und Alkoholkonsum sind in Deutschland die häufigsten Ursachen und betreffen Männer häufiger als Frauen.
Anhaltend hoher Alkoholkonsum ist krebsfördernd, und zwar bei Frauen stärker als bei Männern. Dass bei Frauen der Schwellenwert so viel niedriger ist, hängt auch mit dem verzögerten Abbau von Alkohol zusammen, bedingt durch die geringere Konzentration des Alkohol abbauenden Enzyms (ADH) im Blut. Man sagt, dass die Alkohol bedingte Leberkrebsrate wegen des sich angleichenden Lifestyleverhaltens bei Frauen im Anstieg begriffen ist.
Übergewicht und Typ -2- Diabetes sind Risikofaktoren. Sie sind bei Männern häufiger.
Sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtshormone können zu Leberschäden führen. Die weiblichen Sexualhormone führen häufig zu gutartigen Gewebeveränderungen (Leberadenomen), während bei langjähriger Anwendung von männlichen Gechlechtshormonen (Androgenen), insbesondere bei mißbräuchlichem Einsatz (Bodybuilding), bösartige Karzinome (hepatozelluläre Karzinome) drohen. Leberadenome und fokal-noduläre Hyperplasien sind bei Frauen nach Einnahme der Pille relativ häufig; Bei 80 % besteht ein Zusammenhang mit der Einnahme der „Pille“. Die gutartigen Tumore bilden sich nach Absetzen der Hormontherapie in der Regel wieder zurück. Die „Pille“ erhöht – wenn überhaupt – nur geringfügig das Krebsrisiko (Wiegratz et al 2011). Die Indikation für eine Hormonersatztherapie sowie einer hormonalen Kontrazeption („Pille) ist jedoch bei krebsgefährdeten Frauen streng zu stellen.
Bauchspeicheldrüsenkrebs Risiko gleich verteilt
Das Lebenszeitrisiko für neugeborene Jungen und Mädchen ist etwa gleich hoch. Es beträgt 1,7 %, also jeweils eines von 59 Neugeborenen muss damit rechnen, im Laufe des Lebens an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken.
Dass Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen sind, erstaunt insofern, weil die bislang bekannten Erkrankungsrisiken, nämlich Rauchen, Alkoholkonsum, starkes Übergewicht und hoher Konsum von verarbeiteten Fleischwaren bei Männern wesentlich häufiger als bei Frauen anzutreffen sind.
Magenkrebs: Hohes Risiko bei Männern
Männer sind stärker gefährdet. Sie erkranken in der Regel auch früher als Frauen. Jeder 52. neugeborene Junge und jedes 77. Mädchen sind gefährdet, im Laufe ihres Lebens später an Magenkrebs zu erkranken.
Experten meinen, dass der unterschiedliche Lebensstil (z. B. übermäßiger Alkohol- und Tabakkonsum, häufigeres Übergewicht und ballaststoffarme Ernährung) für das geringfügig erhöhte Magenkrebsrisiko bei Männern verantwortlich sei. Raucher sollen ein um 25 % höheres Magenkrebsrisiko haben (Praud et al 2016).
Gallenblasenkrebs bei Frauen häufiger
Gallenblasensteine, chronische Gallenblasenentzündungen sind ein Risikofaktor. Frauen sind hierfür sowie für für Gallenblasenkarzinome stärker gefährdet. Bei fast allen Patienten mit Gallenblasenkarzinom werden auch Gallensteine gefunden
Das bei Frauen größere Erkrankungsrisiko betrifft nur die Gallenblase, nicht die Gallenwege.
Brustkrebs gibt es auch bei Männern
Brustkrebs kommt nicht nur bei Frauen, sondern auch – allerdings wesentlich seltender – bei Männern vor. 1 % aller Brustkrebserkrankten in Deutschland sind Männer (ca. 600 Neuerkrankungen jährlich). Im Gegensatz zu Frauen ist der Krebs bei ihnen zum Zeitpunkt der Diagnose schon weit fortgeschritten, nämlich in den Ausbreitungsstadien III und IV und hat eine wesentlich schlechtere Prognose. Angeborene genetische Risiken – und nicht Hormone wie bei Frauen – sind bei den meisten die Ursache. Die anderen, in der Literatur erwähnten Risiofaktoren sind wesentlich seltener.
Männer mit einer angeborenen BRCA2– oder einer PALB2-Gen-Mutation sind besonders gefährdet (Backe et al. 2002). Sie haben gleichzeitig ein leicht erhöhtes Risiko auch für Bauchspeicheldrüsen- und Prostatakarzinom.
Sichere und vermutete Risikofaktoren für Brustkrebs beim Mann:
- angeborene BRCA2- und PALB2-Gen-Mutationen (gesichert)
- eine Verwandte ersten Grades, die zum Zeitpunkt der Brustkrebsdiagnose jünger als 36 Jahre war (gesichert)
- Variante im RAD51B-Gen (gesichert)
- Angeborene genetische Prädisposition mit Hormonmangel (z. B. Männer mit dem Karyotyp 47, XXY = Klinefelter Syndrom) (gesichert)
- frühere Hodenerkrankungen (Mumps-Orchitis, nicht in die Hodenhüllen gewanderte Keimdrüsen, Hodenverletzungen) (vermutet)
- Unterfunktion der männlichen Keimdrüsen (vermutet)
- antihormonell behandeltes Prostatakarzinom (vermutet)
- Leberzirrhose (gesichert)
- vorangegangene Bestrahlung der Lunge oder des Brustkorbs in jungen Jahren (gesichert)
- Übergewicht (vermutet)
- tägliche Arbeit unter Strahlen-, Hitze-, Abgasbelastung. Hodenschädigung (vermutet)
Nierenkrebs bei Männern leicht höheres Risiko
Männer sind gefährdeter. Das theoretische Erkrankungsrisiko, irgendwann im späteren Leben an Nierenkrebs zu erkranken, beträgt in Deutschland für neugeborene Jungen 1,8 % (1/ 55) und für Mädchen 1, 1 % (1/ 94). Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ihnen bei 68 Jahren und für Frauen bei 72 Jahren.
Rauchen zählt zu den wichtigsten Risikofaktoren. Insofern überrascht es nicht, dass mehr Männer betroffen sind. Übergewicht ist bei Frauen das bedeutendste Krebsrisiko.
Blasenkrebs-Risiko bei Männern höher
Das theoretische Erkrankungsrisiko, irgendwann im späteren Leben an einem Blasenkrebs zu erkranken, beträgt in Deutschland für neugeborene Jungen 2,5 % (1/ 41) und für Mädchen o,8 % (1/ 120).
Der bedeutendste Risikofaktor ist Tabakabusus. Bei Männern sind – im Gegensatz zu Frauen – die Erkrankungs- und Sterberaten seit Jahren deutlich rückläufig, was auf deren abnehmendem Tabakkonsum, möglicherweise aber auch auf die abnehmende berufliche Exposition gegenüber Krebs fördernden Schadstoffen, zurückgeführt wird. Bei Frauen nehmen Blasenkrebserkrankungen zu, wahrscheinlich wegen der steigenden Anzahl von Raucherinnen. Hinzu kommt, dass Tabakrauch bei Frauen eine größere Krebs fördernde Wirkung zu haben scheint als bei Männern. Bei einem Konsum von 20 Zigaretten täglich ist das Blasenkrebsrisiko um das Fünffache gegenüber Nichtrauchern erhöht.
Schilddrüsenkrebs: Frauen höheres Risiko
Frauen sind deutlich häufiger als Männer betroffen. Die Ursachen hierfür sind unklar. Möglicherweise liegt es an der unterschiedlichen Strahlenempfindlichkeit beider Geschlechter (Strahlenschutzkommission 2009).
Bestrahlungen, speziell in der Kindheit, sollen sich krebsfördernd auswirken.
Quelle und Buch-Tipp:
Hermann Delbrück ist Arzt für Hämatologie – Onkologie und Sozialmedizin sowie Rehabilitation und physikalische Therapie und Hochschullehrer für Innere Medizin und Sozialmedizin. Während seiner Laufbahn in der experimentellen, kurativen und vor allem rehabilitativen Onkologie veröffentlichte er mehrere Lehrbücher. Er ist der Herausgeber zahlreicher Ratgeber für Betroffene mit Krebs. Seit seiner Emeritierung 2007 befasst er sich vorrangig mit Fragen der Prävention von Krebs.