Dass es angeborene, zu Krebs disponierende Gene gibt, beweist die Zwillingsforschung, denn bei eineiigen Zwillingen besteht eine größere Übereinstimmung als bei zweieiigen. Die Schwester einer an Brustkrebs erkrankten eineiigen Zwillingsschwester hat ein signifikant höheres Erkrankungsrisiko als eine zweieiige Zwillingsschwester. Wie bedeutsam vererbte Einflußfaktoren sind, und wie häufig sie bei der Entwicklung einer Brustkrebserkrankung mitwirken, ist nach wie vor unklar. Allgemein geht man davon aus, dass die Vererbung zwar eine enorme Rolle spielt, die meisten angeborenen „Krebsgene“ aber erst bei zusätzlichen Einflüssen aktiv werden und zu einer Krebserkrankung führen. Risiko modifizierende Faktoren spielen somit auch bei den Auswirkungen von Hoch Risiko Genen eine Rolle. Im traditionellen Sinne spricht man von erblichen Erkrankungen, wenn ein einzelnes Gen verändert ist und daraus eine Erkrankung entsteht. Solche (monogenen) erblichen Krebserkrankungen sind selten. Sehr viel häufiger sind polygene Erkrankungen als Folge wenig dominanter Krebsgene (Low Risk Gene), die erst bei zusätzlichen Einflüssen zu einer Tumorbildung führen oder wenn beide Elternteile ein zwar schwaches Krebsgen haben, dies aber gemeinsam an ihre Kinder vererben, so dass dies dann (in homozygoter Form) ähnliche Auswirkungen wie ein Hochrisikogen hat. Viele Menschen haben auch eine „heterozygote genetische Veranlagung“, die erst bei zusätzlichen Schadstoffen und Umwelteinflüssen relevant wird (Burton et al. 2013). Sicher ist, dass es neben Krebs fördernden Genen auch vor Krebs schützende Gene gibt. Zu ihnen zählen die „Reparaturgene“, die schadhafte Gene eliminieren oder reparieren. Sind sie geschwächt, so erhöht sich das Krebsrisiko. Beeinträchtigungen an den Reparaturgenen können ebenfalls angeboren sein oder sich erst später im Laufe des Lebens entwickeln. Das bekannteste vererbbare Hochrisiko Gen, das mutierte BRCA-Gen ist ein solch fehlerhaftes Reparaturgen. Zu den vererbbaren Risikogenen zählen im Übrigen nicht nur Gene, die zu einer unkontrollierten Vermehrung von kranken Zellen führen, sondern auch Genveränderungen, die die Anfälligkeit des Gewebes für bestimmte Schadstoffe erhöhen und die Invasion und Ausbreitung von Krebszellen fördern.
Welche vererbbaren Gendefekte erhöhen das Krebsrisiko?
Um vererbbar zu sein, muss eine genetische Veränderung nicht nur in den Tumorzellen, sondern in sämtlichen Zellen des Körpers vorliegen. Erst wenn auch Ei- oder Samenzellen betroffen sind, ist eine Weitergabe an den menschlichen Nachwuchs programmiert. Solche – eher seltenen – Fehler des Erbmaterials nennt man Keimbahnmutationen. Bei etwa 5 bis 8 Prozent aller Brustkrebspatientinnen liegt eine familiär bedingte monogene Genmutation vor, die so dominant ist, dass sie zu Krebs führt. Man geht davon aus, dass in Deutschland bei etwa jeder 500. Frau eine solche Hochrisiko-Disposition vorliegt. Mutationen in den Genen BRCA 1 und BRCA 2 sind die bekanntesten; sie beeinträchtigen Reparaturvorgänge (Kwon et al. 2010, Meindl et al. 2011). Große Studien an „Brustkrebsfamilien“ sprechen dafür, dass es sehr viel mehr vererbbare Krebsgene gibt, die allerdings weniger dominant (penetrant) als die mutierten BRCA-Gene sind und erst bei Zusammentreffen mit anderen Einflüssen einen „spontanen“ Brustkrebs verursachen. Je mehr „Krebsgene“ eine Frau hat, desto größer ist die Gefährdung.
Welche vererbbaren Genveränderungen kennt man, die das Brustkrebsrisiko erhöhen?
Bei etwa 5 % aller Brustkrebserkrankungen kennt man die hierfür verantwortlichen Krebsgene; es sind die auf den Chromosomen 17 und 13 liegenden mutierten BRCA1- und BRCA2-Gene, die (in Deutschland) für etwa 30 bis 40 Prozent der familiär gehäuften auftretenden Brustkrebserkrankungen verantwortlich gemacht werden. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer erblicher Risikogene wie z. B. RAD51C und RAD51D, die deutlich seltener sind, aber von Experten auch zu den Hochrisiko Genen gezählt werden, weil das relative Erkrankungsrisiko bei Trägern dieser Gene > 5 ist. Moderat penetrante Risikogene, die vererblich sind, sind häufig. Hierzu zählen solche Gene wie z. B. ATM, CHEK2, PALB2. Sie gehen mit einem relativen Erkrankungsrisiko zwischen 1,5 und 5,0 einher. Dank der modernen Techniken der molekulargenetischen Analyseverfahren entdeckt man zunehmend Niedrig-Risiko-Gene. Zu ihnen zählt man Gene wie FGFR2, TOX3, die mit einem relativen Risiko von RR < 1,5 einher gehen. Sie verursachen nur dann eine klinisch relevante Risikoerhöhung, wenn viele von ihnen miteinander interagieren oder wenn sehr starke zusätzliche fördernde Einflüsse stattfinden.
Wie groß ist die Gefahr, ein Hochrisikogen zu erben?
Unter Hochrisikogenen versteht man Krebsgene, die mit einem relativen Erkrankungsrisiko von mehr als RR > 5 einhergehen. Die bedeutendsten sind die BRCA1/BRCA2-Genmutationen. Sind beide Elternteile Genträger, beträgt die Wahrscheinlichkeit 100 Prozent, dass das kranke Gen an die Kinder weitervererbt wird. Trägt nur ein Elternteil das mutierte Hochrisiko-Gen, so haben die Kinder ein 50%iges Risiko das Gen zu erben. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit liegt dann je nach zusätzlichen Risiken bei etwa 25 %. Bei Frauen unter 35 mit einem triple-negativen Brustkrebs und weiteren in der Familie vorkommenden Brust- und/oder Eierstockkrebs-Erkrankungen ist in ca. 20 Prozent mit einem Gendefekt zu rechnen (www.brca-netzwerk.de, Kwon et al. 2010), weswegen viele Experten eine genetische Untersuchung bei Frauen in dieser Altersgruppe empfehlen.
Quelle und Leseempfehlung zur Brustkrebsvorsorge:
Brustkrebs vermeiden (Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung)
Hermann Delbrück ist Arzt für Hämatologie – Onkologie und Sozialmedizin sowie Rehabilitation und physikalische Therapie und Hochschullehrer für Innere Medizin und Sozialmedizin. Während seiner Laufbahn in der experimentellen, kurativen und vor allem rehabilitativen Onkologie veröffentlichte er mehrere Lehrbücher. Er ist der Herausgeber zahlreicher Ratgeber für Betroffene mit Krebs. Seit seiner Emeritierung 2007 befasst er sich vorrangig mit Fragen der Prävention von Krebs.