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Warum trinkt man Alkohol & riskiert abhängig zu werden?

Die meisten Menschen sagen, sie trinken Alkohol zum Genuss. Das mag auch auf diejenigen Personen zutreffen, die gelegentlich ein Glas Wein trinken, aber häufig bleibt es nicht bei dem einen Glas. Personen, die viel Alkohol in kurzer Zeit konsumieren, trinken in der Regel nicht aus Genussgründen. Nicht, dass sie deswegen alle auch alkoholabhängig sind, aber sie haben doch ein größeres Risiko hierzu als der Genießer, der sich mit ein bis zwei Glas Wein begnügt.

Alkohol wirkt in geringer Dosis praktisch wie ein Betäubungsmittel. Er dämpft die Erregbarkeit bestimmter Nervenzellen und drosselt die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Je mehr Alkohol man trinkt, desto besser müsse das Wohlbefinden sein, meinen irrtümlich Stresstrinker. Dass dieser dann möglicherweise an Autonomie gewinnt und schließlich zur Abhängigkeit führt, wollen sie nicht wahrhaben.

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Einige Ursachen für (nicht am Genuss orientierten) Alkoholkonsum

  • Aus Gewohnheit ?
  • Um das Essen schmackhafter zu machen ?
  • Zur Entspannung ?
  • Um seinen Ärger zu verdrängen ?
  • Um an Geselligkeiten aktiv teilzunehmen?
  • Um Schamgefühle, Hemmungen, Ängste zu überwinden ?
  • Um sein Selbstvertrauen zu stärken ?
  • Zur „Betäubung“. Um Konflikten aus dem Weg zu gehen ?
  • Um Stress abzubauen ?
  • Um Probleme zu vergessen bzw. zu bewältigen ?
  • Um Sorgen, Trauer, Wut oder Einsamkeit zu verdrängen ?
  • Um über Depressionen hinwegzuhelfen ?
  • Um nicht außen vor zu bleiben oder negativ aufzufallen (z. B. bei Geburtstagfeiern oder beim Geschäftsessen)?

Die anregende und/oder beruhigende Wirkung als Ursache

Alkohol dient bei festlichen Anlässen und Einladungen auch zur Unterdrückung von Blockaden, zur Auflösung von Verkrampfungen und der Kontaktförderung. Er stärkt das Selbstbewusstsein. So manche schätzen am Alkoholkonsum seine enthemmende Wirkung. Dank Alkohol überwinden sie ihre Schüchternheit. Wenn die Dosierung bestimmte Grenzen nicht überschreitet und nicht in Enthemmung und Schamlosigkeit  ausartet, so ist daran auch kaum etwas auszusetzen. So manche, die diesen Effekt aber einmal schätzen gelernt haben, nutzen den Alkohol allerdings immer häufiger und auch schon bei unbedeutenden Anlässen, bis er schließlich zum täglichen Ablauf gehört. Sie erhöhen mit der Zeit die Dosierung und werden so schließlich von ihm abhängig. Alkoholkonsum zur Überwindung von Hemmungen und Belastungen, gehört zu den häufigsten Mitursachen einer Abhängigkeit.

Alkohol fördert soziale Kontakte und lockert schwierige Gespräche auf. Bei Geschäftsessen spielt Alkohol zur Kundenbindung keine geringe Rolle. So mancher, der eigentlich dem Alkoholkonsum eher abgeneigt ist, muss dann weit mehr Alkohol konsumieren als ihm recht ist und gerät so schließlich in Abhängigkeit. Bei Familien-, Freundschafts- und Nachbarschaftsfeiern (sowie zu anderen festlichen Anlässen) ist es Brauch, auf „etwas“ anzustoßen. Sich da auszuschließen, ist schwierig.  In Umfragen zur Trinkmotivation, geben manche Befragte die für sie leichtere Kontaktaufnahme an. Bei höherer Dosierung kann Alkohol aber auch gegenteilige Wirkungen haben. Das kann so weit gehen, dass man eher gemieden wird, weil man als unangenehm und lästig empfunden wird.

Alkohol wirkt in geringer Dosis entspannend und drosselt die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Problematisch ist die Gewöhnung, wenn ein Glas nicht mehr ausreicht. Nach Einnahme größerer Mengen stellen sich eher gegenteilige Wirkungen ein. Es kommt zu einer Zunahme der muskulären Spannung, zu Unruhe und Angespanntheit. Die Abhängigkeit ist vorprogrammiert.

So manche behaupten, ohne Alkohol nicht einschlafen zu können. Tatsächlich führt Alkohol schon nach wenigen Schluck zu einer angenehmen Müdigkeit und man schläft besser ein. Manche Menschen trinken dann – in der irrtümlichen Hoffnung, besser schlafen zu können – mehr als ein Glas. Sie ignorieren, dass sich nach starkem Alkoholkonsum die Schlafqualität eher verschlechtert. Sie trinken mehr und enden in einer Abhängigkeit.

Gewohnheiten als Ursache für Alkoholkonsum

Alkohol ist – im Gegensatz zu früher – für Alt und Jung, für Arm und Reich zugänglich. Dies ist eine Gefahr und verleitet zu hohem Alkoholkonsum. Der enorme Alkoholkonsum auf Festen und Partys hat kaum etwas mit Genuss oder Durst zu tun. Das Champagnerglas in der Hand ist zu einer Routineangelegenheit geworden. Gar nicht so selten beginnt eine Alkoholkarriere nur deswegen, weil man bei einer Feier nicht auffallen möchte, wenn auf etwas angestoßen wird. Der soziale Druck bei solchen Anlässen kann erheblich sein. Bei dem trockenen Alkoholiker sind solche Anlässe der erste Schritt zum Wiederbeginn ihrer Alkoholkarriere. Es ist nicht einfach, immer abzulehnen. Alkohol ist in der Gesellschaft so verbreitet und gehört „zum guten Ton“, dass es mürbe machen kann, immer wieder nein zu sagen oder erklären zu müssen, warum man nicht trinkt. Die Sorge, bei einem Kneippabend unmännlich zu gelten, wenn man nicht trinkt, kann zur sozialen Isolierung und Abhängigkeit führen.

Manche versuchen, mit Alkohol die fehlende soziale Anerkennung zu kompensieren und die Einsamkeit zu ertragen. Hiermit erklärte man das häufige Rauschtrinken, das eine Zeit lang bei Jugendlichen sehr populär war. Im Rausch träumen sie von ihrer Großartigkeit und verlieren den Bezug zur Realität. Sie vernachlässigten die wenigen verbliebenen sozialen Kontakte und Verpflichtungen, bis sich eines Tages ihre Gedanken nur noch um das Trinken drehen.

Die Rente beginnt heute früher und damit für Einige die Freiheit endlich das zu tun, was sie schon immer tun wollten; für Andere beginnt aber auch die Einsamkeit und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Sie kommen nicht darüber hinweg, sich nicht mehr mit ihrem Beruf und den damit verbundenen Leistungen zu identifizieren. Deshalb greifen sie zur Flasche und riskieren, abhängig zu werden.

In den mediterranen Ländern ist es selbstverständlich, zur Mahlzeit ein Glas Wein oder Bier zu trinken. In der Regel ist dieser Tischwein niedrigprozentig und/oder wird zusätzlich mit Wasser verdünnt. In Deutschland hat man zunehmend diese Gewohnheit übernommen, wobei der Alkoholgehalt des „Tischweins“ allerdings höherprozentig ist. „Zu einem guten Essen gehört standesgemäß ein guter Wein“, sagt die Werbung und die Gesellschaft versteht unter gutem Wein einen hochprozentigen Alkoholgehalt. Es sind dann mehr die Gewohnheit und die Erwartungen der Gäste als die Freude am Geschmack, der Durst oder die irrtümliche Vorstellung, dass der Wein den Geschmack des Essens verbessere. Zur Gewohnheit gehört es in Deutschland auch, bei einer Einladung einen Willkommenstrunk anzubieten und nicht selten, nach dem Essen noch einen Schnaps „für die Verdauung“ und vor dem Abschied einen „Absacker“ zu trinken. Meistens ist dieser alkoholhaltig – aber warum eigentlich? In Südfrankreich pflegt man vor dem Abschied stattdessen noch einen Lindenblüten- oder Kamillentee, evtl. auch einen Espresso zu trinken, aber keinen Alkohol anzubieten.

Alkohol-Abhängigkeit als Ursache

Manche Menschen wollen mit Alkohol ihre Einsamkeit verdrängen und vergessen – bis sie eines Tages die Kontrolle über ihren Konsum verlieren und sich ihre Gedanken nur noch um das Trinken bewegen. Die Anzahl derjenigen Menschen, die Alkohol konsumieren, um private oder berufliche Probleme für eine Weile zu vergessen, ist groß. Sie betäuben sich mit Alkohol, weil dies ihnen hilft, im Alltag weiter zu funktionieren. Die Probleme verschwinden dadurch natürlich nicht, ja, sie nehmen mit der Zeit zu. Der Alkohol selber wird dann zum zusätzlichen Problem. Es ist für so manchen Abhängigen bequemer, seine Misserfolge, seine Sorgen, Trauer, Wut mit Alkohol als durch Taten zu bekämpfen. Weil, die Probleme zunehmen, sucht er sein Heil in einer Dosiserhöhung und endet in der Abhängigkeit.

Einige Menschen müssen trinken, weil sie bereits süchtig (und somit alkoholabhängig) sind. Sie trinken im Notfall alles, ganz egal wie minderwertig der Alkohol ist und gleichgültig, wie er schmeckt. Er muss nur Alkohol enthalten. Viele angeborene und im Lauf des Lebens erworbene Faktoren begünstigen solche Abhängigkeiten, so z. B. eine genetische Veranlagung, eine schwierige soziale Situation, mentale Erkrankungen, eine psychische Traumatisierung oder ein Gruppenzwang.

Kommentar: Die Alkoholabhängigkeit hat viele Gesichter und viele Ursachen. Sehr selten ist es nur eine Ursache. Sie ist in den seltensten Fällen monokausal.

Hoher und regelmäßiger Alkoholkonsum kann abhängig machen. Neben anderen schwerwiegenden körperlichen und geistigen Einschränkungen kann er auch das Krebsrisiko erhöhen. Die Grenze zum problematischen Konsum (ab dem ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko besteht) liegt für Männer üblicherweise bei täglich 40 – 60 g, für Frauen bei 40 g. Das entspricht 1,5 (bzw. 1) Liter Bier. Studien zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen Trinkmotiven und riskantem Alkoholkonsum besteht.

Mögliche Ursachen für hohen (riskanten) Alkoholkonsum

Viele Faktoren begünstigen einen hohen (und damit riskanten) Alkoholkonsum. In den seltensten Fällen ist es allein die Freude am Genuss, der zum riskanten Alkoholkonsum verleitet.

Im alten Ägypten war der Alkoholkonsum den höheren Priestern vorbehalten. Sie tranken ihn angeblich nicht des guten Geschmacks wegen, sondern wegen des Rausches, denn im berauschten Zustand glaubten sie, den Kontakt zur „heiligen“ Welt am besten aufnehmen zu können. Dies soll auch noch in der griechischen Antike der Anlass für den großzügigen Alkoholkonsum der Priesterschaft gewesen sein. Hippokrates (400 vor Christus) gilt als einer der Ersten, der offiziell den damals unmäßigen Weingenuss geißelte, ihm keineswegs göttliche Einwirkungen und diese naturwissenschaftlich zu erklären versuchte. Er wollte nichts von einer „göttlichen Krankheit“ beim Delir wissen.

Bei den Römern standen die Entspannung und die Freude am Luxus im Vordergrund. Betrachtet man die zahlreichen Abbildungen aus der Zeit, so gab es damals wahre Weinorgien, in denen sich die römische Oberschicht „gehen ließ“. Römische Schriftsteller mahnten nachdrücklich vor unmäßigem Alkoholkonsum

Auch die Germanen waren dem Alkoholkonsum zugetan. Bei ihnen spielten Riten eine große Rolle. Römische Schriftsteller berichteten vom unmäßigen Alkoholkonsum der „Barbaren“, der Kelten und Thrakern.  Tacitus beschrieb ausschweifende Gelage der germanischen Führungseliten.

Exzessives Trinken war im Mittelalter vor allem ein Privileg des Adels. Es gibt vielfältige Schilderungen ausschweifender Trinkgelage. An den Universitäten, in Offizierskorps und kirchlichen Institutionen und Pfarreien wurde viel und exzessiv getrunken.

Die teilweise unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Früh- und Hochindustrialisierung im 19. Jahrhundert verleiteten viele Arbeiter, zur Flasche zu greifen. “Der Arbeiter benutzt den Alkohol als Fluchthelfer und Seelentröster gegen seine unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen und verelendet schließlich im Alkohol”, schrieb Engels 1845.

Alkoholabhängige galten im Dritten Reich als „Saboteure“ der Volksgemeinschaft. Sie wurden als „Volksschädlinge“ zur Besserung in ein KZ eingewiesen. Dass dort ein Großteil der Wachmannschaften exzessiv und unbestraft dem Alkohol frönten, lässt sich u. a. auch mit deren ständiger Desillusionierung und dem unterdrückten Unrechtbewusstsein erklären.

Kommentar: Deutschland gehört zu den Ländern, in denen Alkohol sehr leicht verfügbar ist und die Preise relativ niedrig sind. Letztere sind weniger stark gestiegen, als die verfügbaren Einkommen. Die Konkurrenzsituation auf dem alkoholischen Markt und die relativ laschen ordnungspolitischen Bestimmungen bezüglich der Alkoholwerbung führten zu aggressiven Vermarktungsmethoden, die einer der Gründe für den hohen Konsum bei Jugendlichen ist. Der Jugend steht heute ohnehin wesentlich mehr Geld zur freien Verfügung als früher. Alkohol ist infolge  der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, jederzeit verfügbar. Manche Tankstellen bieten ihn gar 24 Stunden am Tag an. Jeder Kiosk und Supermarkt bietet Alkohol an.

Ab wann liegt ein hoher (riskanter) Alkoholkonsum vor?

Ein Missbrauch liegt z. B. vor, wenn eine Person wegen ihres Alkoholkonsums wichtige Aufgaben in Schule, der Berufsausbildung, dem Beruf und der Familie vernachlässigt, wenn riskantes Verhalten unter Alkoholeinfluss auftritt (z.B. Fahrrad- oder Autofahren im alkoholisierten Zustand), wenn delinquentes Verhalten auftritt, wenn trotz bestehender Probleme mit dem Umfeld ein übermäßiger Alkoholkonsum beibehalten wird. Damit bezieht sich Missbrauch nicht nur auf die Menge des konsumierten Alkohols, sondern auch auf den Ort, die Zeit und die Person. Das Hauptmerkmal des Missbrauchs ist ein fehlangepasstes Muster, das sich in wiederholten und deutlich nachteiligen Konsequenzen infolge des wiederholten Konsums manifestiert. Das Motiv, das hinter einem schädlichen Gebrauch/Missbrauch steht, kann der Wunsch sein, einen Rauschzustand zu erleben (Schmidt 2001, 2003).

 Als eindeutig  risikoreich gilt der Konsum großer Alkoholmengen in nur kurzer Zeit (Komatrinken bzw. Rauschtrinken, Binge drinking), um einen veränderten Bewusstseinszustand (Rausch) herbeizuführen. Von Rauschtrinken spricht man, wenn bei einer Gelegenheit fünf oder mehr alkoholische Getränke (Standarddrinks) konsumiert werden (Samsha 2006). Rauschtrinken ist ein besonders riskantes Trinkmuster, das akute Schäden wie Alkoholvergiftung und Verletzungen sowie Gewalt verursachen kann

Im Diagnosesystem IOD-10 wird zwischen Abhängigkeitssyndrom und schädlichem (riskantem) Gebrauch von Alkohol unterschieden. Letzterer bezeichnet – als schwächere Variante des Missbrauchs – einen Alkoholkonsum mit nachweislich schädlicher Wirkung (körperlich oder psychisch), ohne dass eine Abhängigkeit vorliegt. In den Medien und in den internationalen Empfehlungen hat sich allgemein die Definition durchgesetzt, dass ein schädlicher Gebrauch dann vorliegt, wenn der tägliche Konsum von 12 Gramm reinem Alkohol für Frauen und für Männer von 24 Gramm „regelmäßig“ überschritten wird.

Kommentar: Ein riskanter Alkoholkonsum soll bei 20 bis 60 g pro Tag und ein hohes  (schweres und gefährliches) Krebsrisiko bei 60 g pro Tag liegen. Bei Senioren sowie bei Jugendlichen ist die Schwelle der Verträglichkeit und somit auch der Gefährdung wesentlich geringer.

Gibt es offizielle Leitlinien für den Alkoholkonsum?

Leitlinien mit Empfehlungen für die Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation von Alkoholkrankheiten, die von Experten im Auftrag einer oder mehrerer wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften erstellt werden, gibt es für viele Krankheiten, so auch für die Alkoholkrankheit. Die für den Alkoholkonsum in Deutschland bekannteste und anerkannteste ist die von der Arbeitsgemeinschaft der Medizinischen Fachgesellschaften (AMF) Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-SUCHT) herausgegebene Leitlinie S3 “Alkoholbezogene Störungen: Screening, Diagnose und Behandlung” (2020). Sie enthält Orientierungs- und Entscheidungshilfen für die Prävention, Diagnose und Behandlung von schädlichem und abhängigem Alkohol- und Tabakkonsum mit einer Wertung der Aussagekraft nach Empfehlungsgraden von S3. Sie beansprucht für sich, neutral und unbeeinflusst von Lobbyinteressen zu sein (S3-Leitlinie für Alkohol- und Tabakabhängigkeit. Version 2020). Die Empfehlungen werden in bestimmten Zeitabständen dem aktuellen Forschungsstand und Erkenntnissen angepasst.

Mögliche Ursachen für exzessiven Alkoholkonsum (z. B. Binge drinking)

Als Rauschtrinken (auch Komasaufen genannt, englisch binge drinking) wird eine Form des Alkoholmissbrauchs bezeichnet, wobei sehr viel Alkohol in kurzer Zeit getrunken wird, um einen veränderten Bewusstseinszustand (Rausch) herbeizuführen. Der starke Anstieg solchen exzessiven Trinkens lässt sich nicht an einer einzigen Ursache festmachen. Die Preise, die ständige Verfügbarkeit, die Werbung, aber auch spirituelle Gründe gehören zu den möglichen Ursachen.

Die Frage, warum gerade junge Menschen immer wieder einen exzessiven Alkoholkonsum betreiben, der der Gesundheit nachweislich schadet, ist Gegenstand vieler Hypothesen. Stress- und Belastungssituationen sowie Leistungsdruck spielen eventuell eine Rolle (Pabst et al. 2013).  Man möchte vergessen, dass es in Schule, der Arbeit Job oder in der Familie und der Freundin gerade nicht gut läuft. Probleme mit der Identitätsfindung, die gerade mit der Pubertät einsetzt, könnten der Anlass sein. Manche Jugendliche möchten ihre Grenzen austesten. Dabei werden die Grenzen des Erlaubten (z. B. Alkoholgenuss vor dem gesetzlichen Mindestalter) ausgetestet. Aber auch die Grenzen, die der eigene Körper beim Alkoholkonsum setzt. Der Alkohol übernimmt bestimmte Funktionen bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, z. B. bei der Abgrenzung von der Kindheit, bei der Ablösung von den Eltern, beim Nachahmen der Verhaltensweisen Erwachsener oder beim Aufbau von Liebesbeziehungen (Richter & Settertobulte 2003).

Der sogenannte „pathologische“ Rausch ist häufig durch eine paranoide Symptomatik, heftige Erregungszuständen, aggressives Verhalten und Angst gekennzeichnet. Dabei können andere Zeichen einer Trunkenheit weitgehend fehlen. Interessanterweise verbindet man mit dem Rauschbegriff gerade Vorkommnisse bei geringen Trinkmengen. Der Rausch findet sich dann vorwiegend bei hirnorganisch kranken Personen mit niedriger Alkoholtoleranz.

Kommentar:. Episodischer exzessiver Alkoholkonsum geht mit vielfältigen Risiken einher. Rauschtrinken ist in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen am stärksten verbreitet.

Gibt es Alkohol Gene?

Zwillings- und Adoptionsstudien deuten darauf hin, dass die Neigung zum Alkoholkonsum bei nahen Verwandten Alkoholabhängiger um das Drei- bis Vierfache erhöht ist. Das kann mit traditionellen Trinkgewohnheiten im gemeinsamen Umfeld zusammenhängen (Kinder übernehmen unbewusst Verhaltensweisen ihrer Eltern), aber auch mit einer gemeinsamen genetischen Veranlagung im Zusammenhang stehen. Es heißt, Alkoholabhängigkeit geht jeweils zur Hälfte auf eine angeborene Disposition und zur anderen Hälfte auf das äußere Umfeld (sowie Geschehnisse im eigenen Leben) zurück.

Auswirkungen einzelner dominanter „Alkohol Gene“ sind allerdings bislang nicht bekannt. Hingegen kennt man mehrere Gene, die das Verlangen nach Alkoholkonsum fördern (Craving). Die Kombination von mehreren dieser „Alkohol Gene“ erhöht das Risiko für ein Craving. Vererbt wird dann nicht die Alkoholabhängigkeit als solche, sondern lediglich das Risiko dafür.

Die Erbanlage ist bei der Alkoholabhängigkeit (ähnlich wie bei der Krebsentwicklung) nur ein mehr oder weniger großer Teil eines Puzzles. Erst die Gesamtheit der Puzzlesteine führt zu einer Alkoholabhängigkeit.  

Zur  „Abhängigkeit“ führende (Alkohol)Gene sind häufiger als allgemein angenommen. Sie sind angeboren, werden vererbt oder sind zufällige Fehler der DNS-Replikation oder sind Folge von Einwirkungen aus der Umwelt. Beinahe täglich entdecken Genforscher neue mutierte Gene (Puzzlesteine), die theoretisch die Entwicklung bestimmter Krankheiten wie Krebs oder – wie in diesem Falle – eine Alkoholabhängigkeit fördern. Mehr als 99 % der Genmutationen sind allerdings unwirksam oder werden repariert oder eliminiert.

Bei Menschen, die zu starkem Alkoholkonsum neigen, kommt eine Variante des RASGEF-2-Gens gehäuft vor. Dieses Gen beeinflusst die Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin in einer Hirnregion. Bei Menschen mit dieser speziellen Variante des RASGEF-2-Gens soll der Alkoholgenuss ein tiefes Gefühl der Befriedigung verursachen. Das hat zur Folge, dass diese Träger dieses Gens gerne zum Alkoholkonsum neigen. Ein anderes Gen, das die Neigung zum Alkoholkonsum unterstützt und somit die Abhängigkeit fördert, ist der Genotyp „CETP TaqLB“. Dies Gen hebt die Stimmung beim Alkoholkonsum (Belohnungssystem). Träger des Gens CRHR1 trinken zwar nicht häufiger als Andere, aber konsumieren bei einem Trinkanlass wesentlich mehr als andere. Auch im Falle von Stress trinken sie mehr Alkohol. Ihnen fehlt die Kontrolle. Andere Gene fördern die Alkohol Verträglichkeit oder beeinflussen die Abbaukapazität der Leber oder beeinflussen das Geschmacksempfinden für Alkohol, weswegen die Träger dieser Gene übergebührlich viel Alkohol trinken. Eine hohe Verträglichkeit für Alkohol kann ein Risikofaktor sein, hingegen Unverträglichkeit ein Schutzfaktor sein. So liegt beim genetisch bedingten Alkoholaldehyd-Dehydrogenase- Mangel eine Abbaustörung von Alkohol vor, weswegen bei Alkohol trinkenden Trägern dieses Gens der Acetaldehyd Spiegel steigt und es zu Alkohol-Unverträglichkeits-Reaktionen kommt. Schon nach einer geringen Alkoholmenge stellen sich diesen Menschen Kopfschmerzen ein, weswegen sie mit dem Alkoholkonsum sehr zurückhaltend sind. Wegen des erhöhten Acetaldehyd Spiegels ist übrigens bei ihnen auch das Krebsrisiko höher.  Etwa 40 bis 50% der Ostasiaten haben eine solche angeborene Mutation des ALDH-Gens mit extrem niedriger Enzymaktivität. Sie soll eine der Ursachen für die bei Mongolen und Indianern überdurchschnittlich häufig vorkommenden  Karzinome in der Mundhöhle sein.

Kommentar: Alkohol Gene, Interaktionen zwischen den Genen, die Kombinationen mit epigenetischen Einflüssen entscheiden über die Manifestation einer Alkohol- (bzw. Krebs)Krankheit. Die Erbanlage alleine führt nicht zu Alkoholabhängigkeit, übrigens auch in den seltensten Fällen zu Krebs. Bei beiden Erkrankungen handelt es sich um multifaktoriell verursachte  Erkrankungen.

Umwelt- und zwischenmenschliche Einflüsse sind mindestens ebenso bedeutsam wie angeborene Gene für ein Craving. Kinder suchtkranker Eltern werden zwar (statistisch gesehen) häufiger alkoholabhängig als ihre Altersgenossen, was aber nicht zwangsläufig die Folge einer genetischen Veranlagung sein muss.

Die irrtümliche Annahme der Vererbbarkeit von Alkoholismus, die Ideologie der rassischen Minderwertigkeit bei Alkoholabhängigkeit und die angebliche Notwendigkeit einer Steuerung der Verbreitung von schädlichem Erbgut führte dazu, dass im Dritten Reich in großer Anzahl Zwangssterilisationen bei Alkoholkranken vorgenommen wurden. Tausende – wenn nicht sogar Zehntausende –  Alkoholkranke landeten in Konzentrationslagern. Eine „Endlösung“ war für schwere Fälle von Alkoholismus vorgedacht und vorbereitet. Erschreckend ist, dass auch einige der damaligen Abstinenzler-Organisationen und die frei-gemeinnützige Suchtkrankenhilfe, auch die „deutsche Psychiatrie“ Ärzte  die Euthanasie positiv begleiteten (Heckmann 2010

Alkoholkonsum in der Jugend

Jugendliche wachsen heute wesentlich liberaler als früher auf. Sie schließen wesentlich früher Bekanntschaft mit Alkohol. Ihre Partys sind ohne Alkohol undenkbar. Dass sie viel Alkohol trinken, hat kaum etwas mit Genuss oder Durst zu tun, sondern eher, um Hemmungen zu unterdrücken, Verkrampfungen zu lösen, Kontakte zu fördern und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Mit Alkohol will so mancher Jugendliche nach außen hin seine Unabhängigkeit demonstrieren. Er möchte so den Anschein des Erwachsenseins erwecken. Einige  Jugendliche  konsumieren Alkohol, um ihre Schwierigkeiten und Probleme in der Schule, bei der Ausbildung oder zu Hause oder mit der Freundin zu verdrängen. Erfahrungen zeigen eindeutig, dass je früher die Bekanntschaft mit Alkohol gemacht wird, umso größer die Gefahr einer späteren Abhängigkeit von Suchtmitteln ist.

Alkoholmissbrauch ist unter Jugendlichen verbreiteter als manche Eltern vermuten. 2019 wurden 14.500 Kinder und Heranwachsende, im Alter von 10 bis 17 Jahren, wegen Rauschtrinkens stationär im Krankenhaus behandelt (Statistisches Bundesamt 2021). Die Zahl ist zwar rückläufig, aber immer noch doppelt so hoch wie zur Jahrtausendwende. Den Höchstwert haben Statistiker 2012 mit rund 18.800 Fällen gezählt.

Im Alter von 12 Jahren hat bereits die Hälfte der Kinder erste Erfahrungen mit Alkohol gesammelt. Von den 16jährigen haben lediglich 3 % noch nie ein alkoholisches Getränk konsumiert. Die große Mehrheit (78 %) hat in diesem Alter schon mehrfach Alkohol getrunken (Studie des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung). Anders als Erwachsene konsumieren Jugendliche Alkohol – laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – nicht regelmäßig und insgesamt auch weniger. Aber wenn sie Alkohol trinken, dann trinken sie sich gerne in einen Rausch hinein (Rauschtrinken). Sie konsumieren ihn gerne in Gesellschaft mit Gleichaltrigen – und in großen Mengen. Anders als alte Menschen,  häufiger in der Abgeschiedenheit trinken.

Für die schädlichen Wirkungen des Alkohols sind Jugendliche empfindlicher als Erwachsene (Alkoholatlas 2017). Der Alkohol beeinträchtigt ihre geistigen und kognitiven Entwicklungsprozesse. Fast immer kommt es bei ihnen zu einem erheblichen Leistungsabfall in der Schule. Am Anfang einer jugendlichen Drogenkarriere steht oft der für sie leicht erreichbare (und universell) angebotene Alkohol, der zu jeder Feier gehört. Nicht selten beginnt der Konsum bei sportlichen Aktivitäten in der Gruppe, in Sportvereinen, bei Ausflügen, in den Ferien und auf Volksfesten. Je mehr Jugendliche in Kontakt mit der Alkoholwerbung kommen, desto früher beginnen sie mit dem Alkoholkonsum – und desto häufiger trinken sie. Im Gegensatz zu früher sind Jugendliche und junge Erwachsene heute finanziell wesentlich bessergestellt. Sie treffen ihre Kaufentscheidungen zunehmend selbst und verfügen auch über ein großzügigeres Budget. Das macht sie zu einer stark umworbenen Zielgruppe der Alkoholindustrie, die die Jugendlichen möglichst früh als Kunden an sich binden möchte. Sie entwickelt  daher spezielle Produkte, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Jugendlichen sind auch wegen der vielen Freizeit ein heiß umkämpfter und von der Getränkeindustrie stark beworbener Absatzmarkt.

Kommentar:. Weshalb junge Menschen relativ häufig einen exzessiven Alkoholkonsum betreiben, der ihrer Gesundheit nachweislich schadet, ist nicht an einer einzigen Ursache festzumachen. Stress- und Belastungssituationen und Leistungsdruck alleine reichen nicht zur Erklärung aus. Das Rauschtrinken (auch „Komasaufen“ genannt) war zeitweise bei Jugendlichen sehr populär. Es sollte einen veränderten Bewusstseinszustand (Rausch) herbeiführen.

Alkohol ist die Einstiegsdroge zu noch gefährlicheren Suchtmitteln.

Einfluss des sozialen Status auf Alkoholabhängigkeit

Alkoholabhängigkeit gibt es in allen Gesellschaftsschichten und Bildungsgruppen. Entgegen allgemeiner Vorurteile sind wirtschaftlich schlechter gestellte Menschen nicht stärker gefährdet und trinken nicht mehr Alkohol als finanziell besser Gestellte. Im Gegenteil, der Alkoholkonsum steigt generell mit der Höhe des zur Verfügung stehenden Geldes. Die Behauptung von Friedrich Engels und Karl Marx, dass der Industriekapitalismus und das damit verbundene Elend die wesentliche Ursache für die Alkoholabhängigkeit in der Arbeiterschicht sei, lässt sich aus heutiger Sicht nicht bestätigen. Zumindest trifft für heute das Dogma nicht zu, dass Trunksucht generell eine Folge von Armut ist. Im Übrigen gibt es statistische Auswertungen, dass auch im 19. Jahrhundert mit der Hebung des Wohlstands der generelle Alkoholkonsum eher zugenommen hat. Die damalige Behauptung, dass die Arbeiterschaft in höherem Grade der Trunksucht verfiel, beruhte auf der irrtümlichen Voraussetzung, dass nur Branntwein schädlich, Bier und Wein aber harmlos sind (Delbrück, A. 1903).

Ein Vorurteil ist, dass vor allem Menschen mit wenig Bildung mehr Alkohol trinken. Untersuchungen des Robert Koch-Instituts haben ergeben, dass Akademikerinnen fast doppelt so häufig riskante Alkoholmengen trinken wie Frauen mit einem Hauptschulabschluss (Robert Koch Institut 2020). Akademisch gebildete Frauen in hervor gehobenen Positionen (mit großer beruflicher Autonomie) sollen zu den größten Alkoholkonsumenten zählen (Franke 2005). Allerdings zeigen Studien, dass in sozial benachteiligten Gruppen ein riskanter Konsummuster, wie episodisches Rauschtrinken, höher ist.

Kommentar: Gesundheitsschädlicher Alkoholkonsum ist heute kein spezielles Problem sozial Benachteiligter. Ganz im Gegenteil, riskanter Alkoholkonsum ist heute in „wirtschaftlich besser gestellten Kreisen“ stärker verbreitet als unter Arbeitslosen (Alkoholatlas Deutschland 2017). Heute findet gesundheitsschädlicher Alkoholkonsum in der Mitte der Gesellschaft statt, nämlich bei Personen, die gesellschaftlich gut integriert sind und deshalb nicht auffallen. Langeweile, Einsamkeit, fehlende Anerkennung und reaktive Depressionen lösen heute häufiger den Griff zur Flasche aus als wirtschaftliche Probleme. Nach einer deutschen Studie ist Alkoholismus auch bei Ärzten weit verbreitet. Schätzungen zufolge sind in Deutschland 6 % der Ärzte einmal im Leben abhängig von Alkohol gewesen;  7 – 8 % von ihnen gelten generell als suchtkrank, wozu man auch andere Abhängigkeit wie z. B. Tabaksucht oder Medikamente etc. zählt (Endres 2000).

Auch, wenn die Statistiken aussagen, dass Arbeitslose im Durchschnitt nicht mehr Alkohol konsumieren (sondern eher weniger), so ist unter ihnen die Anzahl der Gefährdeten doch deutlich höher als bei Beschäftigten. Diejenigen, die vor Beginn ihrer Arbeitslosigkeit Alkohol bereits als Problemlösung betrachtet haben, tun dies in ihrer nunmehrigen desolaten Situation erst recht. Andere konsumieren wegen der reduzierten geselligen Kontakte (und/oder wegen des geringeren verfügbaren Einkommens) hingegen eher weniger Alkohol (Küfner 2002).  

Rauschtrinken ist in den oberen Bildungsgruppen niedriger als in den unteren Bildungsgruppen. Im Vergleich zum Konsum riskanter Trinkmengen zeigt sich somit beim Rauschtrinken ein umgekehrter Bildungsgrad. Da Frauen und Männer mit niedriger Bildung zwar nicht mehr trinken, aber langfristig ein größeres Risiko für alkoholbedingte Schäden haben, sollte diesen Gruppen bei der Planung von Präventionsmaßnahmen besondere Aufmerksamkeit gezollt werden (J Health Monitoring 2(2) (2017).

Der Einfluss des Geschlechts (Gender) auf den Alkoholkonsum

Alkohol ist in Europa die Ursache für fünf bis zehn Prozent der Krebserkrankungen bei Männern und für etwa zwei bis drei Prozent bei Frauen, doch gleichen sich Trinkverhalten und Höhe des Alkoholkonsums an (Rumgay et al 2021).

Alkoholkranke Männer erkranken und sterben häufiger an einem Krebs im Mund- und Rachen sowie der Speiseröhre, alkoholkranke Frauen hingegen eher an den hormonempfindlichen Tumoren wie dem Brustkrebs (EPIC = European Prospektive Investigation into Cancer and Nutrition) (Van Gils et al 2005, Riboli 2001, Rumgay et al 2021).

In Zwillingsstudien wurde festgestellt, dass bei abhängigen Frauen die angeborene Veranlagung für Alkoholabhängigkeit im Vordergrund steht, während bei Männern Umwelteinflüsse eher die Ursache sind (Singer et al 2005). Treffen die Metastudien aus Australien und den USA zu (Slade, T. et al. 2016), weswegen zukünftig nicht nur mit einem häufigeren Alkoholmissbrauch, sondern auch mit mehr alkoholbedingten Krebserkrankungen zu rechnen ist – zumal die Verträglichkeit für Alkohol bei Frauen geringer ist.

  • Alkohol fördert die Krebsentstehung und -entwicklung bei beiden Geschlechtern auf unterschiedliche Weise. Bei Männern kommt es häufiger zu Acetaldehyd bedingten Tumoren, nämlich zu Krebserkrankungen in den oberen Speisewegen. Bei Frauen überwiegen hingegen indirekte Wirkmechanismen aufgrund der höheren Organempfindlichkeit für Östrogene. Alkohol wirkt bei Frauen als Krebspromotor, hingegen bei Männern als mutagen wirkendes Kanzerogen.
  • Der Schwellenwert von Alkohol für eine Leberzirrhose ist bei Frauen niedriger als bei Männern; die Zeit vom Beginn des gesundheitsschädlichen Alkoholkonsums bis zur Entwicklung einer Leberzirrhose ist bei ihnen kürzer (Franke 2005).
  • Alkoholabhängige Frauen geben als Grund für ihren hohen Konsum häufiger die Bewältigung eines persönlichen Problems an, während Männer eher Spaß am Trinken und den Genuss anführen. Bekannt ist, dass Frauen bei Stress und sozialen Problemen eher mit Alkoholkonsum reagieren. Männer betrinken sich gerne in der Gruppe. Frauen trinken in der Regel eher bei negativer Gefühlslage, wenn sie allein sind.
  • Frauen geben häufiger Ehekonflikte als Auslöser für ihre Abhängigkeit an als Männer. Alkoholprobleme sind häufiger der (relative) Grund für Scheidungen (Franke 2005).
  • Rauschtrinken wird von knapp der Hälfte aller befragten Männer praktiziert, bei Frauen ist dies seltener. Dass Frauen bei derselben Alkoholmenge schneller betrunken sind, erklärt man mit ihrem höheren Körperfettanteil.
  • Bei gleichem Körpergewicht und gleicher Menge erreicht der Alkoholgehalt bei der Frau einen um etwa 20 % höheren Wert. Die Blutalkoholkonzentration – gemessen in Promille – ist bei ihnen bei gleicher konsumierter Menge – höher. Wegen des niedrigeren Alkoholdehydrogenase (ADH) Spiegels wird der Alkohol langsamer abgebaut.
  • Neben Unterschieden bei der Trinkmenge, dem Trinkverhalten, dem unterschiedlichen Alkoholabbau gibt es Unterschiede bei den bevorzugten Getränken. Frauen trinken bevorzugt Wein, Sekt sowie likörhaltige Getränke, Männer favorisieren hingegen Bier (mit niedrigerem Acetaldehydgehalt).
  • Während der Alkoholkonsum bei Männern rückläufig ist, stagniert er bei Frauen, ja nimmt bei jungen Frauen sogar zu. Das Arbeitsschutzgesetz und gesetzliche Unfallverhütungsvorschriften sind daran mitschuldig. Sie bestrafen häufiger den Alkoholkonsum bei Männern als bei Frauen. Ursache hierfür sind die Betriebsvereinbarungen zur Suchtprävention in den typischen Männerberufen (wie dem Baugewerbe) sowie die Senkung der Promillegrenzen im Straßenverkehr.
  • Emanzipationsbestrebungen spielen eine Rolle. Junge Frauen neigen dazu, den Konsum von Tabak- und Alkohol mit Emanzipation gleichzusetzen. Zumindest demonstrieren sie dies gerne nach außen hin. Gingen Männer früher sonntags in die Kneipe statt zur Kirche, so finden sich heute beide Geschlechter gemeinsam am Tresen ein – und der Pastor predigt Mäßigung des Alkoholkonsums vor leeren Bänken.
  • Die Zunahme des Alkoholkonsums von Frauen lässt sich auch mit der Veränderung der traditionellen Geschlechterrolle in den Berufen erklären. Immer mehr Frauen arbeiten in ehemals männerdominierten Berufen.
  • Ein weiterer Faktor ist der Umgang mit der Doppelrolle „Arbeit und Familie“. Frauen sind dadurch vermehrt Stress ausgesetzt. Sie begegnen diesem mit Alkoholkonsum.
  • Frauen sind anfälliger für gesundheitliche Probleme; nicht zuletzt, weil bei ihnen der Alkohol langsamer abgebaut wird. Das Risiko für Leberfunktionsstörungen und Leberzirrhose ist größer. Auch alkoholbedingte Kardiomyopathien (Herzmuskelerkrankungen) entwickeln sich eher. Bei einem vergleichbaren Alkoholspiegel klagen sie früher unter Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, Schläfrigkeit und Schlafstörungen. Männer werden hingegen ab einem gewissen Alkoholpegel eher aggressiv.
  • Bei Frauen kommt es eher zum Rausch als bei Männern. Sie erreichen bei gleicher Alkoholmenge ein höheres Maximum der Blutalkoholkonzentration- und vertragen somit in der Regel weniger Alkohol.
  • Alkoholabhängige Frauen begeben sich seltener als Männer in eine Behandlung, denn sie fürchten das soziale Stigma und den eventuellen Verlust der Kinder, wenn ihr Alkoholproblem offengelegt wird. Begeben sie sich jedoch in eine Behandlung, ist die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges größer.
  • Frauen präferieren Selbsthilfegruppen, in denen Emotionen bearbeitet und Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein oder Selbstwirksamkeit betont werden. Deshalb werden von Frauen auch eher geschlechtshomogene Gruppen bevorzugt, in denen für sie relevante Themen angesprochen werden. Für Frauen ist die soziale Unterstützung ein wichtiger Faktor, der den Behandlungserfolg mit beeinflusst.
  • Kommentar: Forschungsergebnisse der letzten Jahre belegen, dass bei Männern und Frauen wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Entwicklung, dem Verlauf und den Folgen einer Alkoholabhängigkeit bestehen. Männer in Deutschland haben ihren Alkoholkonsum in den letzten Jahren eindeutig reduziert. Nach wie vor trinken sie aber deutlich mehr Alkohol als Frauen – und weisen riskantere Konsummuster auf. Frauen holen beim Alkoholkonsum aber deutlich auf. Sämtliche Experten vertreten die Auffassung, dass Frauen weniger Alkohol trinken sollten als Männer, da sie sensibler reagieren.

Der Einfluss der Werbung

Die Werbeaufwendungen für alkoholische Getränke sind enorm. Sie betrugen 2021 etwa 260 Mio. Euro. Dabei entfiel der größte Teil auf die Bierwerbung, gefolgt von der Werbung für Spirituosen und Sekt. Große Summen werden für die Platzierung alkoholischer Werbung allein im Bereich des Sports gezahlt. Der Aufwand scheint sich zu lohnen.

Werbebotschaften lassen sich in zwei Sparten unterteilen:  Botschaften, die das Produkt mit seinen Qualitäten ins Zentrum stellen und Botschaften, die das Image des Produktes verbessern sollen. Letztere machen mehr als 90 Prozent der Werbung für alkoholhaltige Produkte aus. Sie bewerben das jeweilige Produkt mit einem bestimmten Lebensstil und Lebensgefühl, um so das beworbene Produkt mit einem positiven Gefühl zu verknüpfen. Mit guter Laune, schönen Erinnerungen, ansprechender Musik, herrlicher Landschaft und (nicht zuletzt) Sport werden die Botschaften positioniert. Imagewerbung wirkt besonders bei Jugendlichen. Mehrheitlich geben befragte Jugendliche an, dass sie die Alkoholwerbung in den Medien gerne sehen. Diese ist – verglichen mit der Werbung für Erwachsene – stärker gekennzeichnet durch effektvolle Farben, jugendorientierte Musik und eine lebhafte Handlung. Außerdem hat sie einen hohen Innovationscharakter. Die Verbreitung der Alkopops (gesüßte Spirituosen-Mischgetränke) – und ihre Beliebtheit bei Jugendlichen verlief Anfang des neuen Jahrtausends parallel zu dem starken Anstieg ihres riskanten Konsumverhaltens (BZgA 2003). Heute scheint sich die Strategie der Alkoholindustrie zu verändern, da sie – ähnlich wie in der Autoindustrie – stärker für Premiumprodukte wirbt, die mehr Gewinn bringen als die Erhöhung des Absatzes.

Kommentar: Der Deutsche Werberat hat Regeln für die Alkoholwerbung erarbeitet (die auch für die Online-Werbung gelten). Konkret schreibt der Werberat vor: Die Werbung darf nicht zu missbräuchlichem Konsum auffordern oder diesen verharmlosen. Menschen, die zu viel Alkohol getrunken haben, dürfen nicht gezeigt werden. Kinder oder Jugendliche dürfen nicht zum Trinken aufgefordert werden. Leistungssportler, Fahrzeugführer oder Personen, die sich mehrheitlich an Kinder oder Jugendliche richten, dürfen nicht gezeigt werden. Aussagen zur Beseitigung, Linderung oder Überwindung psychosozialer Konflikte bzw. zur physischen Leistungsfähigkeit müssen unterbleiben. Bei diesem Vorgehen handelt es sich allerdings lediglich um selbst auferlegte Regeln, die der Werberat überwachen will. Die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Selbstregulierung keine nennenswerten Effekte auf die öffentliche Gesundheit hat und dass im Gegenteil die Investitionen in digitale Plattformen zugenommen haben, um neue Gruppen von Konsumenten zu erschließen und den Alkoholkonsum.

Die Industrie betont stets, es gehe ihr nicht in erster Linie darum, den Konsum von Alkohol zu steigern. Sie wolle vor allem die eigene Marke bekannt machen sowie Konsumentinnen und Konsumenten anderer alkoholischer Getränke abwerben. Verbraucher sollen die bessere Qualität bevorzugen,  und nicht mehr konsumieren. Tatsache ist aber, dass durch die Werbung immer auch neue (und junge), potenzielle Konsumentinnen und Konsumenten angesprochen werden. Bei der Imagewerbung werden die gleichen gehirnphysiologischen Mechanismen genutzt, die bei Alkoholkranken ein Craving (Sucht) erzeugen. Tatsächlich will man neue Konsumentengruppen erschließen und gleichzeitig den Alkoholkonsum der bisherigen Verbraucher erhöhen.

Für die Prävention ist es wichtig, dass Jugendliche lernen, sich kritisch mit der Werbung auseinandersetzen. Notwendig ist die Trennung von Sport und Alkohol in der Werbung. Gerade durch die enge Verbindung von Sport und alkoholischen Getränken erhält der Alkohol bei der Jugend ein positives Image – was den Alkoholkonsum enorm erhöht.

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