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Hodenkrebs: Risiko, Statistiken und Ursachen

Hodenkrebs Symbolbild

Je nachdem, aus welchen Zellen der Tumor hervorgegangen ist, gibt es verschiedene Arten von Hodenkrebs. Allen Tumoren ist allerdings gemeinsam, dass sie sich gut behandeln lassen und, dass selbst im fortgeschrittenem Stadium gute Chancen auf eine Heilung bestehen. Auch bei einem Wiederauftreten der Erkrankung haben die Betroffenen noch gute Aussichten auf Gesundung, und dies bei guter Lebensqualität.
Die meisten Hodenkrebserkrankungen (über 90 Prozent) entstehen aus den Keimzellen im Hoden, weswegen man auch von Keimzelltumoren (germinale Tumore) spricht. Weitaus seltener sind Wucherungen, die sich aus den Bindegewebszellen des Hodens und des Hodensacks entwickeln. Sehr viel seltener sind extragonadale Keimzelltumoren. Bei ihnen ist der Hoden selber nicht befallen. Sie entstehen, wenn versprengte Keimzellen außerhalb des Hodengewebes zu bösartigen Tumoren führen. Neben den Keimzelltumoren gibt es noch andere bösartige Tumore im Hoden, so die vom Stützgewebe des Hodens ausgehenden Leydig- und Sertoli-Zelltumore sowie die im Lymphgewebe entstehenden Lymphknotentumore (Non Hodgkin- und Hodgkin-Lymphome). Sie werden wegen ihrer Seltenheit nicht näher in diesem Kapitel erwähnt und kommentiert.
In diesem Kapitel geht ausschließlich um die Prophylaxe und die Früherkennung von Keimzelltumoren. Keimzelltumore entstehen in der Regel in einem der beiden Hoden, um – wenn nicht behandelt – im weiteren Verlauf sich auf den Nebenhoden und Samenleiter, ja sogar auf so entfernte Organe wie die Lunge, Leber und das Skelett auszubreiten.
Keimzelltumoren werden je nach ihrem Gewebe in zwei Hauptgruppen unterteilt: die Seminome und die Nicht-Seminome. Seminome sind geringfügig häufiger als Nicht-Seminome. Manchmal hat der Hodenkrebs sowohl seminöse als auch nicht nicht-seminöse Gewebeanteile. In einem solchen Fall wird die Behandlung wie nicht-seminösen Tumoren durchgeführt.
Werden Seminome in einem sehr frühen Stadium entdeckt, reicht bei ihnen u. U. die alleinige operative Entfernung aus; sonst wird zusätzlich eine Strahlentherapie durchgeführt, zumal die Tumore hervorragend auf eine Strahlentherapie anzusprechen pflegen Bei den Nicht-seminomatösenen Tumoren steht die Chemotherapie im Vordergrund der Behandlung.

Die verschiedenen Gewebetypen von Nichtseminomen:

  • Embryonalzellkarzinom,
  • Teratom bzw. Teratokarzinom
  • Dottersacktumor
  • Chorionkarzinom
  • gemischte Keimzelltumor

Man geht davon aus, dass sowohl Keimzelltumore aus den gleichen Vorstufen (testikuläre intraepitheliale Neoplasie-Zellen (TIN)) im Verlauf der embryonalen Entwicklung entstehen. Eine Ausnahme bildet das sehr seltene spermatozytische Seminom: Es entwickelt sich nicht aus den TIN-Zellen, sondern direkt aus den Samen bildenden Zellen.
Die Ursache für Hodenkrebs ist zwar nach wie vor unklar, aber inzwischen kennt man mehr und mehr Risiken und Einflüsse, die Entstehung von Hodenkrebs begünstigen.

 

Hodenkrebsrisiken und Einflüsse

Gesicherte und vermutete Risikofaktoren (x = wahrscheinlich erhöht, xx = doppelt so hoch, xxx = mehr als doppelt so hoch, xxxx = sehr hohes Risiko)

  • Hodenhochstand (Kryptorchismus) in einem einzelnen oder in beiden Hoden (gesichert) (XXXX)
  • Häufigere Hodenkrebserkrankungen in der Familie (gesichert) (XXXX)
  • Bestimmte Chromosomen-Anomalien (z. B. Klinefelter Syndrom) (gesichert) (xxxx)
  • Vater hatte einen Hodenkrebs (XXX)
  • Bruder hatte einen Hodenkrebs (XXXX)
  • Europäische Abstammung (X)
  • Vorläuferzellen in einer Gewebeprobe (testikuläre intraepitheliale Neoplasie = TIN-Zellen) (gesichert) (XXXX)
  • Verschiebung des Hormongleichgewichts in der Schwangerschaft, z. B. durch Einnahme von hormonhaltigen Substanzen (z. B. der Pille) (wahrscheinlich) (XX)
  • Angeborene Fruchtbarkeitsstörung (z. B. wenig Spermien in der Samenflüssigkeit = Azoo- oder Oligospermie) (gesichert) (XXX)
  • Mikroverkalkung (gesichert) (XXXX)
  • Unterentwicklung des Hodens (Hodenatrophie) (gesichert) (XX)
  • Hodenhochstand, Gleithoden (gesichert) (XXXX)
  • Orchidopexie bei Hodenhochstand (gesichert) (XXX)
  • Tumor im gegenseitigen Hoden. (z. B. nach Entfernung eines Hodens wegen Hodenkrebs) (XXXX)
  • Hypospadie (vermutet)
  • Starkes Übergewicht der Schwangeren Mutter (x)
  • Geburtsgewicht unter 2500 g oder über 4.500 g (vermutet)
  • Männer, die über 1,90 Meter groß sind (gesichert) (XX)
  • DDT-Exposition während der Embryonalphase (vermutet)
  • Entzündungen (vermutet)
  • Verletzungen (vermutet)
  • Handystrahlung (vermutet)

 

Statistische Erkrankungsrisiken

Hodenkrebserkrankungen zählen mit jährlich etwa 4200 Neuerkrankungen zu den eher seltenen Krebserkrankungen in Deutschland; sie machen nur ein bis zwei Prozent aller Krebserkrankungen bei Männern und nicht einmal 0,2 % aller Krebstodesfälle aus. Zum Vergleich: an Prostatakrebs erkranken jährlich etwa 68.000 Männer, an Lungenkrebs etwa 35.00, an Dickdarmkrebs etwa 34.00 Männer und an Brustkrebs etwa 70.000 Frauen.
Das Lebenszeitrisiko für einen neugeborenen Jungen, an einem Hodenkrebs zu erkranken, beträgt 0,8 %, d. h. einer von 130 neugeborenen Jungen erkrankt. Ein erster Altersgipfel liegt zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr, ein zweiter nach dem 80. Lebensjahr (Robert Koch Institut 2016). In der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren ist Hodenkrebs der häufigste bösartige Tumor bei Männern.
Aus noch ungeklärten Ursachen steigt in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der Neuerkrankungen in den Wohlstandsländern. Der Zunahme steht eine Abnahme der Krebssterblichkeit gegenüber, die sehr wahrscheinlich durch den erfolgreichen Einsatz neuartig wirkender Zytostatika bedingt ist

 

Genetische (vererbbare) Risiken und Einflüsse?

In manchen Familien kommt Hodenkrebs gehäuft vor, was für das Risiko einer erblichen Veranlagung spricht. Hatte der Vater Hodenkrebs, so haben seine Söhne ein bis zu sechsmal höheres Erkrankungsrisiko. Brüder eines Hodenkrebspatienten haben ebenfalls ein höheres Erkrankungsrisiko, das im Übrigen höher ist, als wenn der Vater Hodenkrebs hatte. Einige Experten interpretieren diese Beobachtung als Hinweis auf eine wahrscheinlich x-chromosomale Assoziation.
Bei Genomanalysen (GWAS) wurden insgesamt 12 Abschnitte auf den Chromosomen identifiziert, auf denen sich insgesamt 39 Risikogene befinden. Sie erklären zusammen 25 Prozent der Krebserkrankungen unter Brüdern und 37 Prozent der Fälle, in denen Vater und Sohn gemeinsam erkrankten. Darunter sind zahlreiche Gene, die die Entwicklung der Keimzellen, die Funktion der Kinetochore für die Zellteilung, die Reaktion auf DNA-Schäden oder die Stoffwechselfunktion von Mitochondrien beeinflussen. Störungen an diesen Orten liefern plausible Erklärungen für eine Krebsentstehung.
Ist man an einem Hodenkrebs erkrankt, so besteht die Gefahr, auch im anderen Hoden an einem Tumor zu erkranken, was sich ebenfalls auf eine genetische Veranlagung zurückführen, aber auch auf gemeinsame vorgeburtliche Einwirkungen in der Embryonalzeit zurückführen lässt. Bei diesen Zweittumoren handelt sich nicht etwa um Absiedlungen (Metastasen) des Primärtumors, sondern um unabhängige Zweitkrebse.
Das Risiko einer Hodenkrebserkrankung im „gesunden“ Hoden der Gegenseite beträgt mehr als fünf Prozent. Würde man den „gesunden“ Hoden mit den heute zur Verfügung stehenden sehr sensitiven (empfindlichen) Techniken untersuchen, so könnte man verdächtige Zellen (Testikuläre Intraepitheliale Neoplasien = TIN-Zellen) in einem noch viel höheren Prozentsatz entdecken. Zum Glück entwickeln sich die überwiegende Anzahl dieser Krebsvorstufen jedoch nicht zu klinisch manifesten Tumoren, sondern bleibt lebenslang inaktiv.

Vorgeburtliche Risiken und Einflüsse?

Man vermutet, dass der klinischen Manifestation des Hodenkrebses Krebsvorstufen vorausgehen (TIN-Zellen) die wahrscheinlich im Zusammenhang mit Verschiebungen des Hormongleichgewichts schon in der Embryonalphase entstehen. Nach der Geburt verharren diese TIN-Zellen in einem Ruhezustand, um sich in, während und nach der Pubertät zu aktiven Krebszellen und einer klinisch manifesten Hodenkrebserkrankung zu entwickeln.

Maldeszensus descensus testis

(Ausbleibende Wanderung des Hodens vom Ort seiner embryonalen Anlage durch den Leistenkanal in den Hodensack)?
Ein Maldeszensus führt zu Lageanomalien des Hodens und einem erhöhten Krebsrisiko. Normalerweise wandert bei Männern der Hoden während der Entwicklung im Mutterleib in seine richtige Position im Hodensack. Ist dieser Entwicklungsschritt gestört, verbleibt der Hoden in der Leiste, oder sogar im Bauchraum. Ein solcher „Hodenhochstand“ ist ein eindeutiger Risikofaktor (siehe Kommentar zu Begleiterkrankungen).

Risiken und Einflüsse durch die Ernährung?

Einige Wissenschaftler vermuten einen Einfluss der Ernährung des männlichen Embryos. Daß das Hodenkrebsrisiko bei sehr großen Männern erhöht ist, könnte an der überreichlichen Ernährung im frühkindlichen Alter liegen, meinen sie. Auf die kalorienreichere Ernährung führen sie auch die in den letzten Jahrzehnten signifikante Häufigkeitszunahme von Hodenkrebs in den Wohlstandsländern zurück (Nigam et al 2015).

Immunologische Einflüsse und Risiken

Ob die Krebsentstehung bei einer Immunabwehrschwäche gefördert wird, ist unklar, wird jedoch vermutet. Bei einer bestehenden HIV Erkrankung sollen Hodenkrebserkrankungen ungünstiger verlaufen, heißt es.
Hodenkrebs ist nicht ansteckend. Hodenkrebs wird auch nicht bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr übertragen.

Hormonelle Risiken und Einflüsse?

Geringe Verschiebungen des Hormongleichgewichts bei der Schwangeren, und damit auch des ungeborenen männlichen Embryos – gelten als hohes Erkrankungsrisiko. Besonders die Einnahme hormonhaltiger Medikamente sowie die „Pille“ in der Schwangerschaft werden für Verschiebungen des Hormongleichgewichts und einer erhöhten Anfälligkeit der Keimzellen beim männlichen Embryo angeschuldigt.

Geographische Risiken und Einflüsse?

Es bestehen signifikante Unterschiede sowohl beim Erkrankungs- als auch Sterberisiko zwischen ärmeren und reicheren Ländern. Die höchsten Erkrankungsraten findet man in Nordeuropa, und hier besonders in Dänemark. Dort steigt seit einigen Jahrzehnten die Anzahl von Hodenkrebserkrankungen. Ob dies im Zusammenhang mit der parallel dazu sinkenden Anzahl der Spermien im Ejakulat steht, ist unklar. Im europäischen Vergleich liegt die in Deutschland dokumentierte Anzahl der Neuerkrankungen an zweiter Stelle.
In den „Wohlstandsländern“ ist Hodenkrebs wesentlich häufiger als in der „Dritten Welt“. Die europäisch stämmige Bevölkerung scheint anfälliger zu sein. In den USA kommt Hodenkrebs bei hellhäutigen, europäisch-stämmigen Männern deutlich häufiger vor als bei Afro-Amerikanern und Asiaten. Genetische, wirtschaftlich-ökonomische, der unterschiedliche Lifestyle, Ernährungseinflüssen werden als Ursache diskutiert. Einige meinen, dass die unterschiedlich häufig praktizierte Einnahme hormonell wirkender Kontrazeptiva der Grund für die geographischen Häufigkeitsunterschiede sein könnte.

Therapiebedingte Risiken und Einflüsse?

Ein erhöhter Anteil weiblicher Hormone in der Schwangerschaft kann die Entwicklung der Keimzellen beim ungeborenen Jungen gewissermaßen aus der „Entwicklungsbahn“ werfen und zur Entwicklung von TIN-Krebsvorstufe-Zellen führen. Einige Dopingmittel wie EPO und Wachstumshormone sollen dazu führen, dass sich Krebszellen schneller teilen und latente, schlafende Tumore „aufwecken“. Der gelegentlich geäußerte Verdacht einer Krebsförderung durch eine Sterilisation oder Verletzungen entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Bestätigung.
Negative Einflüsse auf das Hodenkrebsrisiko durch eine Testosterontherapie sind nicht bekannt. Testosteron wird zum größten Teil in den Hoden produziert, sodass die Entfernung eines Hodens eine Verringerung der Testosteronproduktion nach sich ziehen kann.

Risiken und Einflüsse durch Vor- und Begleiterkrankungen?

Männer, die bereits an einem Hodenkrebs erkrankten, haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Hodenkrebs im „gesunden“ Hoden der Gegenseite.
Ein bis drei Prozent der Erkrankten haben bzw. hatten einen Hodenhochstand. Hauptrisikofaktor ist ein Hodenhochstand. Von einem Hodenhochstand spricht man, wenn der Hoden nicht wie üblich, in den Hoden abgestiegen ist, sondern im Leistenbereich oder in der Bauchhöhle verbleibt. In einem solchen Fall ist nicht nur die Fruchtbarkeit (Fertilität) herabgesetzt, sondern auch das Hodenkrebsrisiko etwa 10fach höher. Die Erkrankungsgefahr sinkt zwar nach einer frühzeitigen (medikamentös/hormonellen oder operativen) Korrektur, bleibt aber trotzdem – gegenüber der Normalbevölkerung – erhöht. Beim Leistenhoden beträgt das Erkrankungsrisiko ein bis zwei Prozent, beim Bauchhoden steigt es auf fünf bis zehn Prozent.
Manchmal befindet sich der Hoden am Hodeneingang, lässt sich aber unter Druck in den Hodensack schieben, um danach sehr bald wieder zurück zu gleiten. Man spricht in einem solchen Fall von einem Gleithoden Ein „Gleithoden“ stellt ein Erkrankungsrisiko dar, dessen Höhe von der Dauer der Fehlanlage abhängt. Man nimmt an, dass die Temperaturschwankungen Ursache des erhöhten Erkrankungsrisikos sind. Oberhalb des Hodensackes ist die Temperatur mit 35 bis 37 Grad Celsius deutlich höher als im Hodensack (ca. 33 Grad Celsius). Infolge der beengten Verhältnisse und der zu hohen Umgebungstemperatur sollen sich die Hoden nicht normal entwickeln können.
Auch Jungen mit angeborenen Leistenbrüchen scheinen häufiger an einem Hodenkrebs zu erkranken.
Zu den gesicherten Risikofaktoren zählt auch die eingeschränkte Fruchtbarkeit. Nicht selten suchen Männer ursprünglich wegen einer angeblichen Unfruchtbarkeit (Infertilität) einen Urologen auf, der bei der Untersuchung dann eine Hodenkrebserkrankung feststellt. Etwa einer unter 200 Hodenkrebspatienten ist infertil (Mancini et al 2007). Viele Ursachen können zu einer irreversiblen Störung der Fruchtbarkeit führen. Männer, bei denen in der Samenflüssigkeit keine oder nur wenige Spermien auffindbar sind (Azoospermie oder Oligospermie), haben ein erhöhtes Hodenkrebsrisiko.
Eine Fehlanlage der Harnröhrenmündung (Hypospadie) stellt eine Krebsgefährdung dar. Hodenhochstand und Hypospadie scheinen eine gemeinsame angeborene Ursache zu haben, müssen aber nicht gemeinsam auftreten.
Das Risiko, später an Hodenkrebs zu erkranken, ist bei Mikroverkalkungen im Hoden sehr hoch (Miller et al 2007). Die Mikroverkalkungen lassen sich nicht tasten, sind aber mit Ultraschall gut darstellbar.

Risiken und Einflüsse von Lebensstil und Lebensgewohnheiten?

Lebensstil und Verhaltensweisen haben nach den derzeitigen Erkenntnissen bei der Entstehung von Hodenkrebs keine Bedeutung. Auch gibt es nach den bisherigen Erkenntnissen keine Hinweise, dass der Lifestyle die Entwicklung und Aktivierung von Krebsvorstufen und latenten Krebszellen beeinflusst.
Seitdem bekannt wurde, dass der italienische Radprofi Ivan Basso und der mehrfache Tour-de-France-Sieger, Lance Armstrong, an Hodenkrebs erkrankten, hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Radfahren bzw. ein enger Sattel die Entstehung von Hodenkrebs fördert. Hierfür gibt es keine Belege. Wenn Radrennfahrer an einem Hodenkrebs erkrankten, so ist dies mehr darauf zurückzuführen, dass Hodenkrebserkrankungen in der Altersgruppe von Radrennfahrern relativ häufig vorkommen. Statistisch besteht kein Häufigkeitsunterschied bei Radrennfahrern und gleichaltrigen nicht fahrradfahrenden Männern. Das Sitzen auf einem harten Sattel sowie enge Radfahrhosen oder Jeans sind keine Risikofaktoren. Sportliche Aktivität gilt unter Präventionsmedizinern eher als allgemeiner Krebsschutzfaktor, vielleicht auch für die Entwicklung von Krebsvorstufenzellen zu einer Hodenkrebskrebserkrankung.
Rauchen ist zwar krebsfördernd, zählt jedoch nicht zu den Hodenkrebsrisiken. Es gibt keine Studien, die auf Zusammenhänge von Rauchen und Hodenkrebs hinweisen. Allerdings wurde in einigen Beobachtungsstudien der Verdacht auf ein höheres Hodenkrebsrisiko nach Haschischkonsum (Cannabis) geäußert. Ursache könnte, so wird behauptet, das in Cannabis enthaltene THC (Tetrahydrocannabinol) sein, dass mit den Cannabinoid-Rezeptoren interagiert, die sich nicht nur im Gehirn, sondern auch in den männlichen Geschlechtsorganen befinden. Je häufiger und je länger die Männer zum Joint greifen, desto größer soll die Krebsgefährdung sein. Wissenschaftliche Beweise für diese Vermutungen gibt es nicht!
Verdächte wurden gelegentlich für eine Beeinflussung des Hodenkrebsrisikos durch Alkoholkonsum geäußert. Auch hierfür gibt es keine wissenschaftlich fundierten Hinweise!
Es bestehen keine Zusammenhänge mit dem Sexualverhalten. Hodenkrebs ist keine Folge von Masturbation.

Risiken und Einflüsse am Arbeitsplatz?

Umwelteinflüsse, etwa Chemikalien wie PVC, Phthalate und chlororganische Verbindungen sowie Lösungsmittel und Pflanzenschutzmittel wurden in einigen Beobachtungsstudien mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko in Verbindung gebracht. Hierfür sowie für die gelegentlich geäußerten Vermutungen häufigerer Hodenkrebserkrankungen bei Beschäftigten in der Elektronik-/Elektroindustrie gibt es keine Belege. Alle in diesen Beobachtungsstudien geäußerten Verdächte sind aufgrund methodischer Schwächen (Probleme bei der Expositionsabschätzung, ungenügende Berücksichtigung von Confounder, Selektionsbias, geringe Power) wissenschaftlich nicht haltbar. Schwer beweisbar bzw. widerlegbar sind auch Vermutungen krebsfördernder Einflüssen von Pflanzenschutz- und Insektenvernichtungsmitteln. Vermutungen, dass eine Handystrahlung und Hochspannungsleitungen Hodenkrebs verursachen, wurden bislang nicht belegt.
Zu den ältesten Berufserkrankungen gehört der Hodenkrebs bei Schornsteinfegern („Schornsteinfegerkrebs“). Der britische Mediziner Percival Pott beschrieb 1755 erstmalig ein ungleich häufigeres Vorkommen von Hodenkrebs bei Schornsteinfegern und äußerte die – später dann auch bestätigte – chronische Einwirkung von Ruß als Ursache. Bei der von ihm beschriebenen Krebserkrankung handelte es sich allerdings um einen Plattenepithelkrebs der Hodenhaut (Skrotum) und nicht des Hodens selber. Seminome und Nicht-Seminome stehen in keinem Zusammenhang mit Ruß und anderen Schadstoffen wie Benzpyren und zyklischen Kohlenwasserstoffen. Keimzelltumore werden bei Schornsteinfegern nicht als Berufskrankheit anerkannt.

Psychische und seelische Einflüsse?

Die von Laien oft geäußerte Vorstellung, dass psychische Verstimmungen, Überbelastungen, reaktive Depressionen das Krebsrisiko erhöhen, wurde in zahlreichen Studien widerlegt. Zusammenhänge von psychischen Störungen, Depressionen mit Hodenkrebs sind nicht bekannt.
Sowohl die Diagnosestellung als auch die Behandlung des Hodentumors können mit ausgeprägten somatischen und psychischen Belastungen der Betroffenen einhergehen. Sie können die Lebensqualität der Patienten beeinflussen und bedürfen in der klinischen Routine einer strukturierten, systematischen Erfassung.

 

Quelle und Buchempfehlung:
Krebsprophylaxe für Männer: Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung

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