Welche Schritte in der »Immunkaskade« für die Entstehung von Krebsvorstufen, für deren Bösartigkeit und schließlich den Ausbruch einer Krebserkrankung verantwortlich sind, ist noch weitgehend unklar. Klar ist nur, dass durch unspezifisch wirkende Immunpräparate, wie z. B. Mistelextrakte, Enzym- und Thymuspräparate, Spurenelemente, Selen u. Ä. nicht pauschal auf alle Schritte in der Tumorabwehr Auswirkungen zu erwarten sind.
Stärkt Functional Food die Immunabwehr?
Unter „Functional Food“ (funktionelle Lebensmittel) versteht man Nahrungsmittel, die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert sind und über den Nährwert des Produktes hinaus einen positiven Effekt auf die Gesundheit, besonders die Immunabwehr haben sollen. Der zusätzliche Nutzen soll durch Anreicherung mit Vitaminen, Mineralstoffen, Bakterienkulturen und ungesättigten Fettsäuren erzielt werden. Im Gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln werden „Functional Foods“ nicht in Form von Kapseln oder Pulver, sondern als vollwertige Lebensmittel angeboten. Beispiele für Functional Foods sind probiotische Joghurts oder Lebensmittel, die mit Omega-3-Fettsäuren oder Phytosterinen angereichert sind. In speziellen Situationen, etwa bei einer Immunabwehrschwäche oder Unternährung, mag eine solche Ernährung sinnvoll sein; bei Gesunden reicht hingegen die tägliche Mikronährstoffversorgung bei einer ausgewogenen Nahrung auf Basis einer obst- und gemüsereichen Kost aus. Eine präventive Wirkung stärkender Immunpräparate, insbesondere von „biologischen Zubereitungen“, ist nicht bekannt.
Was ist von den zahlreichen Präparaten zur Stärkung der Immunabwehr zu halten?
Zunehmend werden von der Nahrungsmittelindustrie, aber auch von Apotheken, Drogerien und einigen Ärzten, immunstärkende Therapien empfohlen, deren Wirksamkeit jedoch fraglich ist. Gerne werden Diäten und „biologische Zubereitungen“ beworben. Sie helfen allerdings vorwiegend dem Hersteller und dem Apotheker und haben kaum Einfluss auf die Immunabwehr. Tatsache ist, dass eine krebspräventive Wirkung stärkender Immunpräparate, insbesondere „biologischer Zubereitungen“, niemals nachgewiesen wurde und der Wert der meisten, derzeitig von der Industrie angebotenen Präparate von der „Schulmedizin“ negativ beurteilt wird. Nahrungsergänzungsmittel werden oft mit allgemeinen Aussagen wie „unterstützen die Abwehrkräfte“, „üben einen ausgleichenden Effekt auf den Hormonhaushalt aus“ beworben. Dies sind jedoch nicht belegbare Behauptungen, die nichts über den tatsächlichen gesundheitlichen Nutzen aussagen. Ihre Wirkung wird von der wissenschaftlich orientierten Medizin bestritten, weswegen die Kosten von den Kassen auch nicht erstattet werden. Nur eine beeinträchtigte Immunabwehr kann durch eine immunstärkende Ernährung verbessert werden; eine Ernährung, die eine intakte Immunabwehr noch verbessert, gibt es – entgegen den Behauptungen mancher „Diätapostel“ – nicht. Unzweifelhaft ist, dass eine intakte Immunabwehr durch eine „falsche Ernährung“ geschädigt werden kann. Sowohl Unterernährung als auch Überernährung sowie eine einseitige Mangel- bzw. Fehlernährung können die Abwehrkräfte schädigen. Eine zu geringe Aufnahme von Eiweiß und essentiellen Aminosäuren oder Fetten schwächt das Immunsystem ebenso wie eine übersteigerte Eiweiß- oder Fettzufuhr. Bewegung und frische Luft sowie ein erholsamer Schlaf und Maßnahmen zur Stressvermeidung oder -reduktion sind wirksamer als die meisten im Handel angebotenen Präparate zur Stärkung der Immunabwehr.
Was kann man selber zur Stärkung der körpereigenen Abwehr tun?
Die körpereigene Abwehr wird von vielen physischen, aber auch psychischen Faktoren positiv bzw. negativ beeinflusst. Unzweifelhaft werden die Immunabwehr und die Virulenz onkogener Viren, ja möglicherweise sogar die Genaktivität durch gesundheitsschädigende Verhaltensweisen negativ beeinflusst. Schlafentzug, Stress, Drogen, körperliche Inaktivität und nicht zuletzt Rauchen und Alkohol zählen zu den Verhaltensweisen, die die Körperabwehr schwächen. Zu den eindeutig negativen Einflüssen zählt auch die psychische Belastung. Mit verschiedenen Entspannungsverfahren, wie autogenem Training, Yoga etc., kann versucht werden, psychische Belastungen zu reduzieren. Viele Menschen nehmen ihre Probleme von der Arbeit mit nach Hause. Durch die ständige Erreichbarkeit und Reizüberflutung verstärken sich bei ihnen die Belastungen. Wer psychisch bei der Arbeit gefordert ist, wird sich abends mit Bewegung besser distanzieren und erholen können als vor dem Fernseher. Positive physische Einflüsse sind auch von einer vielseitigen und vitaminhaltigen Ernährung, körperlicher Aktivität und Abhärtung sowie einer guten Schlafhygiene zu erwarten, wobei ein erholsamer Schlaf wichtiger ist als die Schlafdauer. Bei Schlafstörungen sollten Schlafmittel die Therapie der letzten Wahl sein.
Gibt es Impfungen gegen Lungenkrebs?
Die Idee, Krebs durch Stärkung der körpereigenen Immunabwehr verhindern oder gar bekämpfen zu können, führte in der Vergangenheit zu verschiedenen Impfstudien, so u. a. zu Impfungen, die das Abwehrsystem anregen sollten, um das Wachstum der Krebszellen zu bremsen. Bislang hat sich jedoch keine dieser Impfungen durchgesetzt. Trotz anfangs vielversprechender, in Nachfolgestudien jedoch erfolgloser Studien, verfolgt man weiterhin den Versuch, die körpereigenen Immunzellen gegen den Krebs zu mobilisieren. Ja, die „Immunonkologie“ gilt als Erfolg versprechendester Ansatz in der Therapieforschung. Das Interesse auf diesem Gebiet wurde durch den revolutionären Erfolg prophylaktischer Impfungen gegen infektiöse Erkrankungen geweckt und basiert auf der Tatsache, dass T-Zellen die Fähigkeit besitzen, Zielantigene in Form von an MHCOberflächenmoleküle gebundenen Peptiden zu erkennen.
Haben Hormone eine präventive Wirkung?
In einigen Beobachtungsstudien stellte man fest, dass eine Hormonersatztherapie (HRT) bei Frauen nach den Wechseljahren mit einer
erhöhten Gefährdung für Lungenkrebs einhergeht. Die Lungentumore sollen besonders bösartig sein. Geschlechtshormone sollten Frauen daher während und nach den Wechseljahren nur kurz, in niedriger Dosierung und nur dann einnehmen, wenn die Beschwerden nicht durch andere Maßnahmen gelindert werden können.
Schützt das „Sonnenhormon“ Vitamin D?
Mögliche Einflüsse von Vitamin D werden sehr kontrovers diskutiert. Die allgemeine Auffassung ist, dass die prophylaktische Einnahme von Vitamin-D-Präparaten mehr gesundheitliche Nachteile als Vorteile bringt.
Quelle und Buch-Tipp:
Lungenkrebs vermeiden (Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung)
Hermann Delbrück ist Arzt für Hämatologie – Onkologie und Sozialmedizin sowie Rehabilitation und physikalische Therapie und Hochschullehrer für Innere Medizin und Sozialmedizin. Während seiner Laufbahn in der experimentellen, kurativen und vor allem rehabilitativen Onkologie veröffentlichte er mehrere Lehrbücher. Er ist der Herausgeber zahlreicher Ratgeber für Betroffene mit Krebs. Seit seiner Emeritierung 2007 befasst er sich vorrangig mit Fragen der Prävention von Krebs.