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Darmkrebs: Ernährung Einflüsse und Risiken

Orangendiät

Je nach Ernährungsweise kommt es zu einer Begünstigung oder Hemmung des Krebswachstums. Entgegen der volkstümlichen Vorstellung und unzähliger Berichte in der Laienpresse wissen wir allerdings viel weniger über krebshemmende als krebsfördernde Einflüsse der Ernährung.

Sind die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Darmkrebserkrankung eindeutig?

Der Darm ist ein Organ, das bevorzugt Einflüssen der Ernährung ausgesetzt ist, weswegen Zusammenhänge von Ernährung und Krebserkrankungen sehr wahrscheinlich sind, sich jedoch objektiv kaum nachweisen lassen. Einer der Gründe hierfür ist, dass sich der Einfluss der „Ernährung“ nur schwer von anderen Krebsrisiken trennen lässt. Dass z. B. Darmkrebs bei Adventisten seltener ist als in der Allgemeinbevölkerung liegt nicht nur daran, dass diese sich vegetarisch ernähren, sondern im Allgemeinen auch schlanker und körperlich aktiv sind, auf Alkohol verzichten und insgesamt gesundheitsbewusster leben. Um an Darmkrebs zu erkranken, bedarf es verschiedener Einflüsse zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Darmkrebs entsteht nicht von heute auf morgen. Von der Entstehung erster Krebszellen bis zum Ausbruch der Krankheit dauert es viele Jahre, in denen sich das Ernährungsverhalten häufig ändert. Bis heute konnten nur wenige Einzelfaktoren im Ernährungsbereich identifiziert werden, die eindeutig die Entwicklung von Darmkrebs beeinflussen. Zu ihnen zählt am ehesten noch starkes Übergewicht. Alle sonstigen Hinweise, Empfehlungen und Schlussfolgerungen aus Studien sind nicht einheitlich, ja widersprechen sich sogar teilweise. Wenn überhaupt, zeichnen sich in den Studienergebnissen lediglich statistisch nicht signifikante Tendenzen bei der Nahrungsmittelauswahl, der Nahrungszubereitung und dem Ernährungsverhalten ab. Diese sollten aber dennoch ernst genommen werden. Es gibt unzählige Studien, die sich mit dem Einfluss der Ernährung auf das Erkrankungsrisiko befasst haben und Zusammenhänge herstellen. Epidemiologische Untersuchungen sehen allerdings solche nicht, sondern können lediglich Assoziationen und Risikofaktoren identifizieren. Die Evidenz ist oft aus mehreren Gründen nicht überzeugend. Um die Aussagefähigkeit der einzelnen Studienergebnisse zu beurteilen, müssen die unten aufgeführten Aspekte beachtet werden.

Methodische Aspekte, die in Studien zur Krebsvorbeugung, speziell der Ernährung, häufig nicht beachtet werden:

  • *Wo wurden die Studien durchgeführt? Manche Studienergebnisse stammen aus Beobachtungen in außereuropäischen Regionen, teilweise auch bei fremden Ethnien und unter anderen Umwelteinflüssen. Obwohl die Ernährungsgewohnheiten häufig nicht mit den unsrigen vergleichbar und auf Mitteleuropa übertragbar sind, werden sie irrtümlich als Argument für oder gegen einen Einfluss der Ernährung zitiert.
  • *Um welche Art von Darmkrebs handelt es sich? Hinter dem Begriff „Darmkrebs“ können sich verschiedene Erkrankungen verbergen, die an unterschiedlichen Stellen im Darm angesiedelt sind. Es gibt Hinweise dafür, dass im Dickdarm, Enddarm oder Mastdarm unterschiedliche Einflussfaktoren wirksam sind. Studien, die keine nähere Differenzierung der Tumoren treffen, haben eine lediglich geringe Aussagekraft.
  • *Welches „Studiendesign“ liegt vor? Entscheidend ist, ob die Schlussfolgerungen aus Befragungen Betroffener zu deren Ernährungsverhalten in der Vergangenheit getroffen wurden, oder ob es sich um eine prospektiv angelegte Verlaufsstudie handelt, während der das Ernährungsverhalten und die Vorkommnisse dokumentiert werden? Viele Schlussfolgerungen und Empfehlungen basieren auf Befragungen von Betroffenen. Deren Darlegungen sind erfahrungsgemäß eher unzuverlässig, subjektiv gefärbt oder beruhen auf Angaben in einem begrenzten Zeitraum, meist sogar nur der letzten Jahre vor der Erkrankung. Dem steht entgegen, dass oft mehrere Jahre, ja Jahrzehnte bis zur Entwicklung von Krebsvorstufen und deren bösartiger Entartung vergehen. Weitere Jahre braucht es, bis latente Frühkarzinome sich schließlich zu einer manifesten Krebserkrankung entwickeln, die sich auch auf andere Organe ausdehnt. Risikofaktoren können über das gesamte Leben eine Rolle spielen bzw. Mutationen verursachen, und/oder das Wachstum von Tumorzellen beschleunigen. Langjährige Ernährungsgewohnheiten haben eine größere Bedeutung als kurzfristige „Diätsünden“.
  • *War die Anzahl der untersuchten Personen repräsentativ? Die Anzahl der untersuchten Probanden und analysierten Verläufe ist häufig zu gering. Oft werden keine altersangepassten Analysen vorgenommen, obwohl bei jungen Menschen das Gewebe anders auf Schadstoffe reagiert als bei alten, und die Fähigkeit zur Reparatur und Elimination von Krebsgenen sich mit der Zeit ändert. Zwischen Männern und Frauen wird häufig nicht unterschieden, obwohl letztere nachweislich später an Darmkrebs erkranken.
  • *Handelt es sich um eine einzelne Studie oder um die Zusammenfassung mehrerer Studien? Viele Empfehlungen zur Vorbeugung gegen Darmkrebs sind in den letzten Jahren in kontrollierten Studien überprüft und so genannten systematischen Übersichten (Metastudien) zusammengefasst worden (Schlussfolgerungen und Empfehlungen auf dem Bodenvon Metastudien sind zuverlässiger als solche einzelner Studien!)

Welche Bedeutung hat die EPIC-Studie?

Zur Frage möglicher Zusammenhänge von Krebs und Ernährung sind in den letzten Jahren einige quantitativ und qualitativ sehr aufwändige, prospektive, kontrollierte Studien durchgeführt worden, die zu erheblichen Korrekturen der Vorstellungen älterer Studienergebnisse führten. Eine dieser Studien ist die EPIC-Studie (EPIC = European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, Van Gils et al. 2005, und Riboli 2001, http://epic.iarc.fr). In ihr werden seit 1989 mehr als 500.000 Gesunde in verschiedenen Ländern Europas bzgl. ihres Ernährungsverhaltens beobachtet sowie ihre Krankheitsereignisse dokumentiert. Generell zeichnet sich in der, 2015 noch nicht beendeten Studie ab, dass kaum eine der früheren Behauptungen zur Ernährung wissenschaftlich untermauert ist. Sie ergab, dass einige Ernährungsfaktoren in ihrer Wirkung überschätzt, andere unterschätzt, manche auch falsch eingeschätzt wurden. Sie misst insgesamt den Einflüssen der Ernährung auf die Entstehung der meisten Krebserkrankungen eine geringere Bedeutung zu als früher. Manche der beim Darmkrebs gemachten Beobachtungen, Vermutungen und Empfehlungen werden allerdings bestätigt (Linseisen et al. 2007, Boeing 2007, Bofetta et al. 2010).

Beeinflusst Übergewicht das Krebsrisiko?

Zusammenhänge zwischen starkem Übergewicht (Fettleibigkeit) und Darmkrebs sind in vielen Beobachtungsstudien dokumentiert. Je früher und je länger man übergewichtig ist, desto eindeutiger sind die Einflüsse. Bei einem BMI >30 kg/m2, vor allem bei überschüssigem Fett in der Bauchregion, ist das Erkrankungsrisiko doppelt so hoch wie bei schlanken Menschen (Yanlei Ma et al. 2013). Besonders der Dickdarm, weniger der Enddarm ist gefährdet (Laake et al. 2010). Bei Männern scheint sich Übergewicht negativer auszuwirken als bei Frauen. Nicht nur die Entstehung von Polypen und Krebs, auch deren Aggressivität soll durch starkes Übergewicht negativ beeinflusst werden (Siegel et al. 2010). Bestimmte molekulare Subtypen von Darmkrebs (CTNNB 1 – negative Tumore) sind bei übergewichtigen Darmkrebspatienten besonders häufig. Übergewicht ist meist die Folge von kalorienreicher Ernährung, häufigem Fleischverzehr, reichlichem Alkoholkonsum und Bewegungsmangel; dies sind Einflüsse, die die Entwicklung von Darmkrebs insgesamt begünstigen. Insofern ist es problematisch, der Gewichtszunahme einen eigenständigen Einfluss zuzuordnen und von anderen Erkrankungsrisiken abzugrenzen. Nicht alle Übergewichtigen sind gefährdet. Ein BMI von 24 bis 29 bei Personen >65 Jahren ist noch akzeptabel, bei jüngeren Menschen hingegen ein Risikofaktor. Auch gibt es stark Übergewichtige („happy obese“), die weder zu Diabetes und Herzerkrankungen noch zu Krebs neigen. Ursächlich nimmt man bei ihnen niedrigere Hämoxygenase -1 (HO-1)- Werte an, eine geringere Insulinresistenz und Fettbildung in der Leber, denen eine hohe Bedeutung bei der Krebsentwicklung zugemessen wird. HO-1 fördert die InsulinResistenz und damit Diabetes, indem es über Zwischenschritte die Insulin Rezeptoren auf der Zelle verändert. In neueren Studien, so auch der EPIC-Studie, wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, zwischen Übergewicht, Fettsucht und Fettverteilung zu unterscheiden. Nur bei überschüssigem Bauchfett („Apfelbauch“) entwickeln sich hiernach vermehrt Adenome und Tumore. Starkes Übergewicht sei nur im Zusammenhang mit dem Taillenumfang, dem Taille-Hüft-Verhältnis (WaistHip-Ratio, dem WHtR) und dem Bauchumfang von Bedeutung.

Ist eine ballaststoffarme Ernährung krebsfördernd?

Obwohl viele Beobachtungsstudien auf mögliche Beziehungen zwischen der Ballaststoffaufnahme und der Entwicklung von Darmkrebs hinweisen, wird der Einfluss von Ballaststoffen kontrovers diskutiert. Ein Zusammenhang wurde in der EPICStudie für den Dickdarmkrebs festgestellt, wobei die Schutzwirkung von Vollkornprodukten größer sein soll, als die von Obst und Gemüse (Dahms et al. 2010). Insgesamt misst man aber heute anderen Krebsrisiken eine mindestens ebenso große, wenn nicht sogar größere Bedeutung bei. Einer der Gründe für die uneinheitlichen Studienergebnisse zum Einfluss von Ballaststoffen auf das Krebsrisiko ist die Komplexität der verschiedenen Einwirkungen. Wer sich ballaststoffarm ernährt, ist häufiger übergewichtig und körperlich inaktiv; sein Fleischkonsum
ist höher als bei der Normalbevölkerung und seine Lebensweise häufig ungesünder. Er hat somit sehr viele Krebs-Risikofaktoren.

Ist „Fast Food“ krebsfördernd?

„Fast Food“ ist sehr kalorienreich und enthält viel Fett, gesättigte Fettsäuren, Zusatzstoffe, Zucker und Salz. Schon allein deswegen ist Fast Food ungesund. Einige Experten halten das bei der Erhitzung von Pommes frites entstehende Acrylamid für erbgutschädigend. Zudem ist Fast Food wegen des hohen Glykämischen Index nicht ratsam. Je höher der Glykämische Index (GI) einer Ernährung, desto höher die Insulinausschüttung, umso stärker ist die Krebsförderung, meinen viele Experten! Der Glykämische Index ist ein Maß für die Blutzucker steigernde Wirkung von Nahrungsmitteln. Er ist bei Süßigkeiten und bei Fast Food besonders hoch, da sie viele schnell resorbierbare Kohlenhydrate enthalten.

Ist Grillen ein Risikofaktor?

In vielen Studien wird auf schädigende Einflüsse von Grillfleisch verwiesen. Weniger jedoch das gegrillte Fleisch selbst als vielmehr die beim Grillen, Braten und Räuchern anfallenden Schadstoffe sind gefährlich. Krebs fördernd sind die Benzpyrene und die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK, Sinha et al. 2001). Sie entstehen, wenn Fett und Fleischsaft in die Glut tropfen, wenn organisches Material unvollständig verbrennt und der Rauch das Fleisch durchdringt. Vor dem Genuss der braunen und schwarzen Kruste des Grillfleisches wird besonders gewarnt. Ungenügend durchgegrilltes rotes Fleisch soll auch deshalb gefährlich sein, weil sich in ihm krebserregende Polyoma-Viren befinden und bei Temperaturen über 60Grad vermehren können.

Hat die Höhe des Cholesterinspiegels einen Einfluss?

Frühere Vorstellungen, ein erhöhter Cholesterinspiegel sei mit einem höheren Erkrankungsrisiko assoziiert, werden heute kritisch beurteilt. In einigen Studien, so in der EPIC-Studie, wird vermutet, dass sich ein erhöhter HDL-Spiegel („positives Cholesterin“) eher präventiv auswirke, während die Wirkungen eines hohen LDLSpiegels („negatives Cholesterin“) völlig unklar seien. In einigen Studien machte man die Beobachtung, dass manche Darmkrebspatienten viele Monate, ja sogar Jahre vor dem Ausbruch der Erkrankung einen eher niedrigen Cholesterin-Spiegel hatten.

Haben Süßstoffe einen Einfluss?

Lange Zeit wurde der Süßstoff Aspartam mit diversen Gesundheitsgefahren in Verbindung gebracht. Eine ausführliche Untersuchung der EU-Lebensmittelbehörde (Efsa) ergab jedoch, dass der künstliche Süßstoff in den erlaubten Mengen für Verbraucher ungefährlich ist. Die empfohlene Tageshöchstdosis in der EU liegt bei 40 Milligramm pro kg Körpergewicht. Ein Kind mit 20 kg Körpergewicht könnte der Efsa zufolge täglich anderthalb Liter, mit Aspartam gesüßte Limonade trinken, ohne den Grenzwert zu erreichen. Vermutungen, dass Süßstoffe eine Appetit anregende Wirkung haben, sind nicht belegt. Sicher ist, dass Süßstoffe nicht die Insulinsekretion anregen.

Ist ein Vitaminmangel für Darmkrebs (mit)verantwortlich?

Vitaminmangelzustände haben zumindest in Europa eine wesentlich geringere Bedeutung als man früher annahm (Bofetta et al. 2010). Zwar haben Krebspatienten häufig einen niedrigeren Vitaminspiegel im Blut, der aber wahrscheinlich eher Folge als Ursache der Krebserkrankung ist. Viele Therapiestudien belegen, dass sich trotz laborchemisch feststellbarer Normalisierung eines zuvor erniedrigten Vitaminspiegels keinerlei positive Auswirkungen auf die Krebsentwicklung ergeben. Es bestätigt sich immer wieder, dass ein verbesserter Laborwert noch lange nicht bedeutet, dass es einem Patienten besser geht! Vitamine und Mineralstoffe, die in Obst und Gemüse reichlich enthalten sind, haben hingegen noch niemandem geschadet, ja die meisten Ernährungsexperten erwarten nach wie vor ein niedrigeres Krebsrisiko, wenn bevorzugt Obst und Gemüse und weniger Fleisch, gegessen wird.

Ist Alkohol ein Risiko?

Bei 10 bis 25% aller in Europa an Darmkrebs erkrankten Männer und bis zu 10% der Frauen soll nach Meinung einiger Experten ein Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum bestehen (Schütze et al. 2011, Seitz et al. 2006 und 2009). Es kommt bei starkem Alkoholkonsum häufiger zu einer Polypenbildung, und die Polypen sollen schneller bösartig entarten. Früher hielt man den Bierkonsum für besonders gefährlich, aus heutiger Sicht hat die Art der alkoholischen Getränke jedoch kaum Einfluss. Dass Biertrinker häufiger an Darmkrebs erkranken, führt man auf deren häufiges Übergewicht zurück. Bier ist sehr kalorienreich! Unklar ist, ob die erhöhte Krebsgefährdung direkt auf Alkohol, auf Metaboliten des Alkohols wie Acetaldehyd oder auf andere indirekte Effekte, wie z. B. Übergewicht zurückzuführen ist. Allgemein geht man davon aus, dass Acetaldehyd für das erhöhte Erkrankungsrisiko im Enddarm verantwortlich ist. Likörweine und Obstbrände enthalten besonders viel Acetaldehyd. Acetaldehyd schädigt die Erbsubstanz (DNA) und hat sich in Tierversuchen als kanzerogen erwiesen. Es entsteht als Zwischenprodukt beim Abbau von Alkohol durch die Alkoholdehydrogenase. Man nimmt an, dass Alkohol auf dem Blutweg an die Darmschleimhaut transportiert und dort durch Darmbakterien zu Acetaldehyd abgebaut wird. Alkohol ist darüber hinaus ein Kokarzinogen. Die Kombination Alkohol und Rauchen potenziert das Erkrankungsrisiko. Schon bei einem „Drink“ (10 gr. Alkohol) täglich soll ein geringfügiges (7% höheres) Krebsrisiko bestehen; bei moderatem Alkoholkonsum (2 bis 3 Drinks = 12 bis 50 gr. täglich) beträgt es bereits 21% und bei starkem Konsum (4 und mehr Drinks = >50 gr. täglich) 52% mehr als bei völliger Abstinenz. Ausführlicheres zum negativen Einfluss des Alkohols enthält das Kapitel „Lebensstil und Lebensgewohnheiten als Risiko“.

Quelle und Leseempfehlung zur Darmkrebs-Vorsorge:

Darmkrebs vermeiden (Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung)

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