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Brustkrebs: Vorbeugung mit Medikamenten (Chemoprävention)

Hodenkrebs Symbolbild

Es gibt zahlreiche Berichte einer möglichen präventiven Wirkung bestimmter Medikamente. Entweder ist deren Nutzen aber (noch) nicht eindeutig gesichert oder die Nebenwirkungen sind erheblich. In Deutschland ist daher bislang kein Medikament zur Prävention von Brustkrebs zugelassen. Die Medikamente dürfen – im Gegensatz zu den USA und England – nur im Rahmen von Therapiestudien eingesetzt werden.

 Medikamenten zur Reduzierung des Brustkrebsrisikos:

  • Antiöstrogene
  • Antirheumatika (z. B. Aspirin) (wahrscheinlich wirksam)
  • Metformin (wahrscheinlich wirksam bei Diabetikerinnen nach den Wechseljahren)
  • Bisphosphonate (wirksam zur Verhinderung von Knochenbefall)
  • Betablocker (möglicherweise wirksam bei triple-negativen Tumoren)

 

Gibt es Medikamente, die das Krebsrisiko bei Frauen mit mutierten BRCA1/2-Genen reduzieren?

Als mögliche Alternative zur prophylaktischen Entfernung der Brust und/oder der Eierstöcke empfehlen manche Ärzte ihren Hochrisiko-Patientinnen eine medikamentöse Prophylaxe. Frauen mit mutierten BRCA-2-Genen, seltener mit mutierten BRCA-1Genen, haben häufig Hormonrezeptor-positive Tumore und können daher von einer antihormonellen Therapie profitieren. RisikoReduktionen von bis zu 45 % wurden in – allerdings zahlenmäßig sehr kleinen – Beobachtungsstudien beschrieben. Einzelne optimistische Berichte gibt es auch mit Aromatasehemmer und Prostaglandinsynthese-Hemmer (z. B. Aspirin, Cox-2 Hemmer).
Kommentar: Für die Wirksamkeit von Medikamenten gibt es bei Frauen mit mutierten BRCA-Genen noch keine gesicherten Nachweise.

Können hormonell wirkende Medikamente das Brustkrebsrisiko reduzieren?

Es gibt mehrere Therapiestudien (Noah-Vanhouke et al. 2011, Nelson et al. 2013), die – unabhängig vom Alter – über einen langfristigen Schutz nach Einnahme antihormonell wirkender Substanzen berichten. Die meisten Erfahrungen gibt es mit TamoxifenR, RaloxifenR und LasofoxifenR. Östrogenrezeptor-positive Tumore sollen dennoch um gut ein Drittel weniger sein (IBIS-1-Studie, Nelson et al. 2009, Cuzick et al. 2011). Gleichzeitig reduziert sich nach Einnahme dieser Substanzen auch die Gefahr eines Oberschenkelbruchs. Wegen der häufigen subjektiven und objektiven Nebenwirkungen ist die Akzeptanz von TamoxifenR allerdings gering (Cuzick et al. 2011, Cunninghams et al. 2009, Nelson et al. 2013). Junge Frauen beginnen erst gar nicht die Tamoxifentherapie, weil sie planen, schwanger zu werden. Andere haben Angst vor möglichen Nebenwirkungen wie Gebärmutterkrebs, Thromboembolien oder „nur“ Hitzewallungen. Große Hoffnungen setzt man auf Aromatasehemmer (AnastrozolR, LetrozolR, ExemestanR), die geringere subjektive Nebenwirkungen haben (Gross et al. 2011), allerdings zu einer erhöhten Knochenentkalkung mit Frakturgefährdung führen können. Knochen- und Gelenkbeschwerden sind häufig.
Kommentar: Nutzen und Risiken müssen vor Einnahme sorgfältig abgewogen werden. Die Medikamente sind in Deutschland für diese Indikation offiziell nicht zugelassen, werden aber gerne bei Frauen mit einer familiären Belastung und/oder einer duktalen oder lobulären Hyperplasie der Brust eingesetzt.

Schützt die regelmäßige Einnahme von AspirinR (Azetylsäure, ASSR) vor Brustkrebs?

Die regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure, besser bekannt unter dem Handelsnamen AspirinR bzw. ASSR, soll vor vielen Krankheiten schützen, so möglicherweise auch vor Brustkrebs. Nicht nur das Erkrankungsrisiko, sondern auch das Metastasierungsrisiko sollen geringer sein. Während positive Einflüsse auf das Erkrankungsrisiko von Tumoren im Magen-Darm-Trakt sehr wahrscheinlich sind, gibt es für Brustkrebs bislang wenige Hinweise. In den wenigen Studien, die über einen Schutzeffekt berichten, wurde Aspirin 5 Jahre und länger regelmäßig eingenommen (Grau et al. 2009. Rothwell et al. 2010).
Kommentar: Schutzeffekte sind umstritten. Wenn überhaupt profitieren nur Menschen mit einem bestimmten Genotyp von der Einnahme. Da Aspirin bei Menschen im fortgeschrittenen Alter besonders nebenwirkungsreich ist, müssen Für und Wider vor einer längerfristigen Einnahme von Aspirin sorgfältig abgewogen werden. Es gibt große Unklarheit über die notwendige Dosierung. Die in den Studien verwendeten Dosierungen lagen zwischen 80 und 600 mg täglich. Bei einer höheren Dosierung ist möglicherweise die Schutzwirkung höher, dafür aber das Risiko von Nebenwirkungen gravierender.

Wie stellt man sich den vor Krebs schützenden Wirkmechanismus nach Einnahme von AspirinR und anderen entzündungshemmenden Medikamenten vor?

Der zum Krebsschutz führende Wirkmechanismus ist nach wie vor unklar und Gegenstand zahlreicher Hypothesen. Die bisherigen Erkenntnisse stammen vorwiegend aus retrospektiven Erhebungen bei Menschen, die Aspirin über einen langen Zeitraum zur Verhinderung von Thrombosen und zur Prophylaxe gegen Herzinfarkt eingenommen haben. Die am häufigsten vertretene Hypothese bezieht sich auf eine Entzündungshemmung. Krebszellen produzieren Prostaglandine und verursachen Entzündungsreaktionen, die wiederum das Krebswachstum begünstigen. Insofern ist eine Einschränkung des Krebswachstums bei solchen Medikamenten durchaus vorstellbar, die die Prostaglandinsynthese und somit Entzündungen hemmen. Zu solchen Medikamenten gehören neben Aspirin die „nicht steroidalen Antirheumatika“ (NSAIDs) und die selektive COX-2-Inhibitoren (Coxibe). Neben einer Hemmung von Entzündungsfaktoren vermutet man – ähnlich wie bei MetforminR – die Aktivierung eines „Energiesparenzyms“ (activated protein kinase), das das Zellwachstum und somit die Tumorentstehung hemmt. Das Enzym reguliert in den Zellen den Energiestoffwechsel und „verschiebt“ Zellteilungen. Seine Funktion wird als Schutzmechanismus vor Energiemangel gedeutet. Die Folge der Aktivierung ist ein Anstieg der Fettverbrennung und ein Abbau von Fett in der Leber. Menschen mit bestimmten Genotypen profitieren in besonderer Weise von der Aspirin-Einnahme. So hat man in Beobachtungsstudien einen größeren Schutzeffekt bei Menschen mit einer speziellen Genmutation (PIK3CA) sowie einem Subtyp des BRAF-Gens bzw. hohen PGDH-Werten festgestellt. Etwa jeder sechste Mensch hat eine solche Genmutation (Liao, X et al. 2012, Nishihara et al. 2013). Auch meint man einen hohen Effekt bei korpulenten Frauen festgestellt zu haben, was darauf zurückgeführt wird, dass Fettdepots Entzündungsfaktoren abgeben, die das Zellwachstum anregen.
Kommentar: Solange der zum Krebsschutz führende Wirkmechanismus unklar bleibt und mit Nebenwirkungen zu rechnen ist, sollte man mit der prophylaktischen Einnahme von ASSR zurückhaltend sein.

Beeinflusst Metformin (GlucophageR) das Erkrankungsrisiko?

Medikamente, die eine Insulinresistenz und Übergewicht reduzieren, vermindern wahrscheinlich auch das Krebsrisiko. Hierauf wird der Schutzeffekt von Metformin – ein bei Typ-2-Diabetes und zur Behandlung von Übergewicht eingesetztes Medikament – zurückgeführt. Das Risiko, an einem invasiven Brustkrebs zu erkranken, soll um 17 % niedriger sein. Schon seit längerem hatte man bei Diabetikern festgestellt, dass mit Metformin Behandelte weniger häufig an Krebs erkranken bzw., dass bei ihnen der Krebs weniger bösartig verläuft. Der zur Krebshemmung führende Wirkmechanismus ist nicht eindeutig geklärt. Prospektive Langzeitstudien gibt es leider nicht. Die Schutzwirkung scheint unabhängig von der Beeinflussung des Zuckerspiegels zu sein, denn auch Nichtdiabetikerinnen profitieren von Metformin. Neben der Verhinderung einer Insulinresistenz und der geringeren Produktion insulinähnlicher Faktoren (IgF1) nimmt man – ähnlich wie bei Aspirin – die mögliche Aktivierung eines „Energiesparenzyms“ an, das das Zellwachstum hemmt. Das AMPK (activated protein kinase) Enzym reguliert in den Zellen den Energiestoffwechsel und „verschiebt“ Zellteilungen. Es kommt zu einem Anstieg der Fettverbrennung und einer verminderten Fetteinlagerung in der Leber. Eine Fettleber soll bei vielen Tumoren ein Erkrankungsrisiko sein.
Kommentar: In der Krebsprävention werden große Hoffnungen auf Metformin gesetzt. Medikamente, die eine Insulinresistenz und Übergewicht verringern, reduzieren bei Typ-2-Diabetikern wahrscheinlich das Krebsrisiko.

Schützen Omega-3-Fettsäurekapseln vor Krebs?

Omega-3-Fettsäuren sind eine kleine, spezielle Gruppe innerhalb der ungesättigten Fette. Der menschliche Körper stellt sie nicht her, in kleinen Mengen sind sie für den Menschen aber lebenswichtig. Sie kommen vor allem in fettreichen Meeresfischen, aber auch in Brokkoli und in Walnüssen vor. In Form von Fischölkapseln werden sie im Handel angeboten und sollen vor allen möglichen Krankheiten, so auch vor Krebs, schützen. Ausgangspunkt für die Vorstellung eines krebspräventiven Nutzens waren zum einen entzündungshemmende Effekte, zum anderen Beobachtungen einer geringeren Krebshäufigkeit bei Bevölkerungsgruppen mit hohem Fischkonsum, etwa in Japan.
Kommentar: Die Ergebnisse von Studien mit Omega-3-Fettsäuren sind sehr widersprüchlich. Im Gegensatz zu früher geht man heute davon aus, dass die isolierte Einnahme von Omega-3-Fettsäuren keinen Schutz vor Krebs bietet (MacLean et al. 2006, Kristal et al. 2010). Krebserkrankten wird von Fischölkapseln zumindest an den Tagen der Chemotherapie abgeraten, da Fischöl die Wirksamkeit bestimmter Chemotherapien möglicherweise herabsetzt. 

Schützen Selen-Präparate vor Brustkrebs?

Obwohl es Hinweise dafür gibt, dass der Selenspiegel bei vielen Krebspatienten erniedrigt ist, rät man heute allgemein von einer Prophylaxe mit Selenpräparaten ab. Dies nicht nur wegen der fraglichen Wirksamkeit, sondern auch wegen möglicher unerwünschter Nebenwirkungen (Lippman et al. 2009). Die Einnahme von Selen ist theoretisch nur dann in Betracht zu ziehen, wenn ein nachweisbarer Selenmangel im Blut besteht, der sich nicht durch eine selenhaltige Nahrung beheben lässt. Vor Seleneinnahme sollte daher grundsätzlich der Selenstatus bestimmt werden. Sicher ist, dass die zusätzliche Einnahme von Selenpräparaten bei normalem Selenspiegel im Blut sinnlos ist. Ob sie im Falle eines Selenmangels sinnvoll ist, konnte bislang auch nicht eindeutig nachgewiesen werden. Inzwischen weiß man, dass ein zu hoher Selenspiegel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und möglicherweise auch von Krebserkrankungen erhöht. Deswegen sollte Selen – wenn überhaupt – nur unter laufender Kontrolle des Selenspiegels gegeben werden. Selen ist nicht harmlos. Zeichen einer Selenvergiftung stellen sich ab 800 Mikrogramm pro Tag ein. Soviel wird bei normaler Ernährung nicht aufgenommen, ist aber bei Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und erst recht selenhaltigen Tabletten möglich. Bestimmte Nahrungsergänzungsmittel enthalten bis zu 200 Mikrogramm isoliertes Selen. Experten empfehlen bei niedrigem Selenspiegel eine selenhaltige Ernährung, zumal es wahrscheinlich der Interaktion mit anderen Nahrungsbestandteilen bedarf, um einen Schutzeffekt zu erzielen. Selen ist in einer Vielzahl von Nahrungsmitteln enthalten. Kokosnüsse, Paranüsse, Getreideprodukte, Sesamöl. Fisch, Fleisch, Milch und Innereien sind eine wichtige Quelle. Leber enthält zwar viel Selen, ist jedoch zum Verzehr wegen der oft hohen Schwermetallbelastung nur bedingt empfehlenswert. Bei einem eindeutigen Selenmangel, der sich bei einer Umstellung der Ernährung nicht verbessert, liegt die empfohlene Selenzufuhr zwischen 30 bis 70 Mikrogramm pro Tag. Statt einem organischen Selenpräparat sollte dann anorganisches Selen gegeben werden, da das Risiko der Kumulation dann geringer ist.
Kommentar: Sicher ist, dass die Einnahme von Selenpräparaten bei normalem Selenspiegel im Blut sinnlos ist. Ob sie bei Selenmangel sinnvoll sind, konnte bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden.

Schützt Vitamin C vor Krebs?

Die von dem Nobelpreisträger Linus Pauling propagierte Einnahme von hoch dosiertem Vitamin C dominierte lange die Krebsprävention. Heute weiß man aus randomisierten, prospektiven Studien, dass weder Vitamin C noch Multivitamine das Krebserkrankungsrisiko beeinflussen (Gaziano et al. 2008, 2009, Lippman et al. 2009, Gaziano 2009). Ein Vitamin-C-Mangel findet sich gelegentlich bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen. Er ist jedoch die Folge und nicht die Ursache der Erkrankung. Niedrige Vitamin-C-Plasmaspiegel (< 11 mol/l) sind bei Krebspatienten meist mit einer erhöhten Entzündungsaktivität, schlechtem Ernährungszustand assoziiert.
Kommentar: Alle Versuche, Brustkrebs durch Vitamine, Mineralstoffe oder andere Nahrungsergänzungsmittel zu verhindern, sind bisher gescheitert.

In welche Richtung bewegt sich die medikamentöse Forschung zur Verhinderung von Brustkrebs?

Große Hoffnungen setzt man auf die Erkenntnisse aus der molekulargenetischen Forschung und auf die Entwicklung von Medikamenten, die direkt in die Informationsübertragung von Krebsgenen eingreifen. Solche Medikamente werden allerdings – wenn überhaupt – erst in vielen Jahren zur Verfügung stehen. Eine personalisierte Prävention, d. h. eine auf individuelle molekulargenetische Besonderheiten abgestimmte medikamentöse Prophylaxe ist noch Utopie! Brustkrebs besteht extrem selten aus einer „monoklonalen Tumormasse“, weswegen bislang nur bestimmte Subpopulationen eines Karzinoms auf „spezifische“ Medikamente ansprechen. Nur sehr selten sind einzelne Gene für den Ausbruch einer Krebserkrankung verantwortlich, weswegen es in der Regel mehrerer unterschiedlich wirkender „passgerichteter“ Medikamente zur Prophylaxe bedarf.
Kommentar: Molekularbiologische Profile und Muster von Gensignaturen gewinnen organübergreifend an Bedeutung. Eine personalisierte Prävention, d. h. eine auf individuelle molekulargenetische Risiken abgestimmte medikamentöse Krebsprophylaxe, ist das Ziel. An der Entwicklung von Medikamenten, die Tumorpromotoren hemmen und das Brustgewebe widerstandsfähiger gegen eine Invasion von Krebszellen machen, wird intensiv gearbeitet.

Quelle und Leseempfehlung zur Brustkrebsvorsorge:

Brustkrebs vermeiden (Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung)

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