Ausreichende körperliche Aktivität ist zwar zur Prävention zahlreicher Erkrankungen längst anerkannt, zur Vorbeugung gegen Krebs jedoch vielen Menschen noch wenig bekannt. Je nach Alter, Körpergewicht und Intensität der körperlichen Aktivität beträgt die relative Risikoverringerung bis zu 20 Prozent, verglichen mit inaktiven Frauen. Bei normalgewichtigen Frauen nach den Wechseljahren soll der Schutzeffekt größer sein, bei Übergewichtigen geringer. Jede Art der Bewegung, also nicht nur Sport, ist sinnvoll, und zwar je mehr, desto besser. Voraussetzung ist, dass die Belastung regelmäßig erfolgt. Die Vorstellung körperlicher Aktivität als Last, stammt oft noch aus früheren Phasen der Industriegesellschaft als schwere körperliche Arbeit die Regel waren.
Gibt es Empfehlungen zur Krebsvorbeugung durch Sport und körperliche Aktivität?
Allgemeingültige Empfehlungen zu geben, ist schwierig. Aus den bisherigen Studien lassen sich nur grobe Empfehlungen im Hinblick auf die spezifische Art, Dauer, Häufigkeit und Intensität körperlicher Tätigkeit ableiten (www.dgsp.de). Im Grunde genommen wirken sich sämtliche körperlichen Aktivitäten in Freizeit, Beruf oder Haushalt schützend aus. Eine Erhöhung der Alltagsaktivitäten (Treppen steigen statt Fahrstuhl fahren, gehen oder Rad fahren statt Autofahren etc.) ist gleichwertig mit Sport. Freizeitsport wird aber besonders positiv beurteilt (Cumminghams et al. 2009, Monninkhof et al. 2007). Aus Sicht der Krebsprävention ist kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining ohne Leistungsdruck und Wettkampfcharakter besonders sinnvoll. Ausdauertraining eignet sich idealerweise zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wird aber auch zu Krebsprävention empfohlen. Günstig ist ein Ausdauertraining mit moderater bis intensiver aerober Aktivität, je 30 Minuten an mindestens 5 Tagen/Woche. Man unterscheidet Ausdauerbelastungen im aeroben und anaeroben Bereich. Anaerobes Training ist für Leistungssportler, nicht aber zur Krebsprävention geeignet. Anaerob sind Belastungen dann, wenn die Energiegewinnung mit Hilfe von Sauerstoff nicht mehr ausreicht; Kohlenhydrate werden dann ohne Sauerstoff durch Milchsäuregärung in Energie umgewandelt. Ein anaerobes Training ist für Leistungssportler geeignet. Zur Krebsprävention eignen sich eher aerobe Belastungen. Beim aeroben Training geschieht die Zuckerverbrennung zur Energiegewinnung mit Hilfe von Sauerstoff. Niedrig- bis mittelgradige Belastungen gehören dazu, da bei ihnen der Stoffwechsel ausreicht, um ausreichend Energie zur Bewältigung zu gewinnen. Im Allgemeinen werden Aktivitäten ohne Leistungsdruck empfohlen, bei denen neben körperlichen Herausforderungen, auch psychische und soziale Aspekte integriert sind. Optimal ist ein Gleichgewicht zwischen Spannung und Entspannung, zwischen Aktivität und Erholung. Da Übergewicht und Bewegungsmangel schon in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter bedeutende Risikofaktoren sind, sollte bereits frühzeitig auf ausreichende Bewegung geachtet werden.
Welche Vorsichtsmaßnahmen sind zu beachten? Von welchen Sportarten ist abzuraten?
Nach längerer Inaktivität sollten sportliche Wiedereinsteiger ganz moderat beginnen, und dies auch erst nach einer vorherigen qualifizierten ärztlichen Untersuchung. Diese muss eine Beratung einschließen, welche Übungen und welcher Sport dem Alter, den speziellen gesundheitlichen und körperlichen Einschränkungen entsprechend sinnvoll sind (Löllgen 2011). Eine Überforderung wäre ein großer Fehler. Sport ist kontraindiziert bei akuten Infekten, bei Erkältungen, Fieber und Durchfall. Plötzliche Temperaturschwankungen sind zu vermeiden. Auf jeden Fall muss bei einer Herzschädigung vor Beginn des Trainings eine ärztliche Untersuchung stattfinden. Bei sehr schnellem Herzschlag (Tachycardie) und bei Herz-Rhythmus-Störungen ist besondere Vorsicht geboten. Ein unzureichend eingestellter Blutdruck, eine instabile Angina Pectoris sowie belastungsinduzierte Herz-Rhythmus-Störungen können körperliches Training unmöglich machen. Bei vorgeschädigtem Herzen – so nach einem Herzinfarkt – ist es zwar sinnvoll, sich körperlich zu belasten und Sport zu treiben, doch gibt es eine Belastungsschwelle, die nicht überschritten werden sollte. Die Grenze liegt bei einer Stunde moderatem Jogging am Tag bzw. 7,2 MET-Stunden (Metabolic Equivalent Task). Bei einer Herzinsuffizienz, bei Diabetes oder starkem Übergewicht wird ein moderates Intervalltraining mit einem Wechsel zwischen 50 % und bis zu 70 % der maximalen Herzfrequenz für optimal gehalten. Die maximale Herzfrequenz errechnet sich mit 220 minus Lebensalter; der optimale Trainingspuls mit 50 bis 75 % der maximalen Herzfrequenz.
Sport bei hohem Blutdruck
Frauen mit hohem Blutdruck sollten ein Krafttraining aufgrund der möglicherweise auftretenden Blutdruckspitzen nur nach Abstimmung mit dem Arzt beginnen. Eine Pressatmung – vor allem beim Krafttraining – kann zu einer mangelhaften Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns führen. Schnelle Bewegungen sind gefährlich. Untrainierte überschreiten rasch ihre Leistungsgrenze. Muskeln, Gelenke, Rücken, Stoffwechsel, Herz und Kreislauf sind schnell überfordert.
Sport bei Übergewicht
Bei mehr als 10 kg Übergewicht sollte man zunächst mit Nordic Walking, Aqua Jogging und Aqua Riding, Schwimmen, Radfahren oder Ergometertraining beginnen. Diese Sportarten nehmen dem Körper die eigene Last und kurbeln gleichzeitig die Fettverbrennung sowie den Kalorienverbrauch an. Sinkt das Körpergewicht und stimmen Kraft und Koordination, erweitert sich die Palette der passenden Sportarten.
Sport bei Arthrosetherapie
Gewichtsabnahme und Bewegung sind zentrale Bestandteile der Arthrosetherapie. Zu den geeigneten Sportarten gehören Schwimmen, Gehen (Nordic Walking), Skilaufen, Jogging, Aerobic und Radfahren. Nicht zu empfehlen sind Sportarten, die mit hohen mechanischen Belastungen, abrupten Richtungswechseln und Stoßbelastungen einhergehen – wie Tennis, Squash, Volleyball, alpiner Skisport, Fußball oder Handball. Ergänzende, nicht medikamentöse Maßnahmen stellen physikalische Therapie, Ergotherapie und orthopädische Hilfsmittel wie Einlagen oder Orthesen dar.
Sport bei Chemo- oder Strahlentherapie
Bei gleichzeitiger Chemo- und Strahlentherapie sind körperliche Belastungen nur in beschränktem Maße möglich (Dimeo 2011). Ein Blutzellmangel kann, muss aber nicht eine Kontraindikation darstellen. An Tagen der Verabreichung potentiell herzschädigender Medikamente (z. B. Anthrazykline, Herceptin etc.) sollte man mit sportlichen Belastungen zurückhaltend sein. Während und einige Tage nach der Bestrahlung des Brustkorbs sind körperliche Belastungen zu unterlassen; ansonsten stellt die Bestrahlung lokalisiert begrenzter Areale keine Kontraindikation dar.
Sport bei Metastasen
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass man bei Skelettmetastasen wegen der Frakturgefährdung grundsätzlich körperliche Belastungen vermeiden sollte. Das Gegenteil kann der Fall sein. Bei Bewegungsmangel kommt es zu einem Abbau der Muskulatur und einer beschleunigten Knochenentkalkung mit erhöhter Frakturgefährdung. Bei einem diffusen Knochenmarkbefall sind jedoch Belastungen, insbesondere in den tragenden Skelettteilen, wie der Wirbelsäule, dem Becken und den Oberschenkelknochen, wegen der Gefahr eines Knochenbruchs absolut kontraindiziert. Bei lokalisierten Metastasen ist eine differenzierte Betrachtungsweise notwendig. Entscheidend sind Größe und Lokalisation der Absiedlungen. Häufig sind Skelettmetastasen an Stellen lokalisiert, an denen nur eine geringe Bruchgefährdung besteht. Bei befallener Wirbelsäule sollten alle Sportarten vermieden werden, bei denen diese stark sowie – was noch gefährlicher ist – abrupt und ruckartig belastet wird. Ob Krafttraining möglich ist, sollte der Onkologe entscheiden; er kennt die Einschränkungen aufgrund der Metastasen-Lokalisation und des Gewebebefundes am besten (z. B. unterschiedliche Gefährdung bei osteolytischem und osteoplastischem Befall des Knochens, bzw. Infiltration des Periosts). Bei Wirbelsäulenmetastasen ist nur Rückenschwimmen erlaubt. Beim Becken-, Schädel- oder Rippenbefall ist nichts gegen sportliche Aktivitäten einzuwenden. Indiziert ist allerdings nur leichtes aerobes Training. Sind die langen Röhrenknochen befallen, sind Belastungen kontraindiziert.
Sport bei Brustkrebs-Behandlungen
Viele Brustkrebspatientinnen begehen den Fehler, sich körperlich nicht zu belasten und auf sportliche Aktivitäten zu verzichten. Dies ist falsch. Körperliche Aktivität scheint bei ihnen positive Effekte in Hinblick einer Wieder-Erkrankungs-Gefährdung zu haben. Es bestehen kaum Einschränkungen. Auch ein Lymphödem ist kein Hinderungsgrund. Selbst Tennis, Squash und Golf sind erlaubt, wenn man einen Armkompressionsstrumpf trägt und ruckartige Bewegungen vermeidet. Viele Brustkrebspatientinnen unterlassen es wegen eventueller Schmerzen, den Arm auf der operierten Seite zu belasten. Derartige Schonhaltungen sind falsch. Sie führen nicht nur zu schmerzhaften Muskelverspannungen, sondern fördern – bei mangelnder Inanspruchnahme der Muskelpumpe – eine Ödembildung. Bei Schmerzen oder einem Anschwellen des Armes sind Belastungen allerdings zurückzuschrauben. Man sagt, ein Lymphödem stellt nur dann eine mögliche Kontraindikation für sportliche Aktivitäten des betroffenen Arms dar, wenn die Lymphknoten in der Achselhöhle krebsbefallen sind; aber selbst dies „Dogma“ wird heute von einigen Experten in Frage gestellt, die behaupten, dass unabhängig von der Genese des Ödems – jeglicher Sport möglich sei (Baumann et al. 2013). Schwimmen ist in jeglicher Hinsicht empfehlenswert für Lymphödem-Patientinnen, solange die Temperatur zwischen 24 und 30 Grad liegt. Wassertemperaturen über 32 Grad sind zwar wohltuend, aber nicht wünschenswert. Eine höhere Wassertemperatur kann das Lymphödemrisiko erhöhen bzw. ein bestehendes verschlimmern. Bei Herzschwäche oder Bluthochdruck sollte – wenn überhaupt – der Aufenthalt in warmem Wasser so kurz wie möglich sein. Schwimmen im kühlen Wasser führt im Allgemeinen zu einer Besserung des Lymphödems. Manche Brustkrebspatientinnen schämen sich, nach einer Brustamputation in der Öffentlichkeit zu schwimmen, obwohl der Schwimmsport sehr empfehlenswert ist. Für Brustoperierte gibt es aber Spezialbadeanzüge, die eine Brustprothese enthalten. Es gibt sehr gute Brustprothesen, die sich auch unebenen Narbengebieten anpassen. Für „einen Spezialbadeanzug mit Prothesentasche“ zahlt die Krankenkasse zumindest einen Zuschuss. Eine gute Beratung in einem Sanitätsgeschäft ist empfehlenswert.
Hermann Delbrück ist Arzt für Hämatologie – Onkologie und Sozialmedizin sowie Rehabilitation und physikalische Therapie und Hochschullehrer für Innere Medizin und Sozialmedizin. Während seiner Laufbahn in der experimentellen, kurativen und vor allem rehabilitativen Onkologie veröffentlichte er mehrere Lehrbücher. Er ist der Herausgeber zahlreicher Ratgeber für Betroffene mit Krebs. Seit seiner Emeritierung 2007 befasst er sich vorrangig mit Fragen der Prävention von Krebs.