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Prostatakrebs: Risiken, Schutzfaktoren und Odds Ratio

Quelle: Flickr NIH Abnormal Lipid Metabolism

Prostatakrebs ist ein Paradebeispiel für eine multikausale Erkrankung, denn es müssen zahlreiche Faktoren zusammentreffen, bevor ein lebensbedrohlicher Krebs entsteht. Meist handelt es sich um mehr oder minder dominante Einflüsse, die mit einer bestimmten Lebensweise, mit Umwelteinflüssen und/oder einer genetischen Prädisposition im Zusammenhang stehen. In der Gesamtheit ergibt die Summe der einzelnen Risikofaktoren ein Risikoprofil. „Risikofaktoren“ ermittelt man durch die Beobachtung größerer Zahlen von Probanden in der Bevölkerung, weshalb sie auf das Individuum bezogen unscharf sind.
Die Feststellung möglicher Risikofaktoren wird u. a. dadurch kompliziert, dass wir nicht wissen, welche Vorlaufzeit Prostatakrebs bis zur Diagnose hat. Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Vorlaufzeit wesentlich länger ist als man früher annahm und sich diese je nach Risikoeinflüssen verkürzt oder verlängert.

Warum ist es so wichtig, sein Prostatakrebssrisiko zu kennen?

Wer sein eigenes Gefahrenpotential kennt, kann gezielter Präventionsmaßnahmen ergreifen, denn diese sollten bei hohem Risiko anders als bei mittlerem oder geringem Risiko aussehen.
Einige der im Folgenden erwähnten Erkrankungsrisiken lassen sich verhindern, zumindest abmildern; andere sind nicht oder nur teilweise beeinflussbar. Selten entscheidet ein einzelner Einflussfaktor allein über die Gefahr; mehrheitlich ist es die Gesamtheit der Faktoren.
Ein Fehlen von Risikofaktoren schließt nicht aus, dass sich trotzdem ein Krebs entwickelt. Auch gibt es immer wieder Menschen, die trotz aller Risiken nicht erkranken. Sie sind allerdings die Ausnahme.

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Gesicherte und vermutete Risiken für Prostatakrebs

  • Fortgeschrittenes Alter (gesichert)
  • Erbliche Veranlagung (gesichert)
  • Starkes Übergewicht (BMI>30) (für aggressive Karzinome gesichert)
  • Bauchumfang > 92 cm (für aggressive Karzinome gesichert)
  • Taille-Hüft- Veerhältnis > 1,0 (für aggressive Karzinome gesichert)
  • Körpergröße ( für aggressive Karzinome gesichert)
  • Chronische Entzündungen der Prostata (gesichert)
  • Hochkalorische und fettreiche Ernährung (gesichert)
  • Hoher Konsum von Milchprodukten (vermutet)
  • Kalziumreiche Kost (vermutet)
  • Immunologische Risiken und Einflüsse, chronische Infektionen (gesichert)
  • Hormonelle Einflüsse (gesichert)
  • Hoch dosiertes Vitamin E (vermutet)
  • Ethnische Herkunft (gesichert)
  • Medikamentöse und strahlenbedingte (iatrogene) Risiken (vermutet)
  • Vor- und Begleiterkrankungen (vermutet)
  • Einflüsse von Lebensgewohnheiten, Lifestyle (gesichert)
  • Umwelteinflüsse, Risiken am Arbeitsplatz (vermutet)
  • Rauchen (vermutet)
  • Alkohol (nicht gesichert)
  • Psychologische Einflüsse und Risiken (nicht gesichert)

Was versteht man unter den Bezeichnungen „Relatives Risiko“ und „Relativer Schutzfaktor?

Das relative Risiko ist verwandt mit dem Odds Ratio. Wenn die Wahrscheinlichkeit zu erkranken gering ist, sind Odds Ratio und relatives Risiko ungefähr gleich.
Unter „Relativem Risiko“ (RR) versteht man den Risikounterschied zwischen Personen, die einem bestimmten Einfluss (etwa krebsförderndem Rauchen oder einer Bestimmung des PSA-Spiegels im Blut) ausgesetzt oder nicht ausgesetzt sind. Wenn RR größer als 1 ist, geht man davon aus, dass der betrachtete Faktor das Krebsrisiko erhöht. Ist er kleiner, reduziert sich die Gefahr; er ist also ein Schutzfaktor

1. Beispiel Risikofaktor: ein RR von 1, 98 bei Diabetes Typ 2 bedeutet, dass das Prostatakrebsrisiko fast doppelt so hoch ist wie bei Menschen, die kein Diabetes haben.
2. Beispiel Schutzfaktor: ein RR von 0,49 bedeutet, dass das Prostatakrebsrisiko um etwa die Hälfte verringert ist (im Vergleich zur Normalbevölkerung). Der betrachtete Faktor schützt also. Wenn RR gleich 1 ist, dann würde die Erkrankungswahrscheinlichkeit nicht beeinflusst, d. h. der betrachtete Faktor kann mit Prostatakrebs nicht in Verbindung gebracht werden.

Was versteht man unter Odds ratio?

Man kann „Odds“ mit „Chancen“ und „Odds Ratio“ mit „relative Chancen“ übersetzen; in der deutschen Sprache hat sich eher der englische Begriff eingebürgert.
Die Odds Ratio ist ein Maß für die Stärke des Unterschieds zwischen zwei Gruppen, z. B. zwischen einer Gruppe mit hohem Fettkonsum und einer mit geringem Fettkonsum. Die Odds Ratio setzt einfach die Odds der beiden Gruppen zueinander ins Verhältnis. Die Odds Ratio kann daher als zusammenhängendes Maß aufgefasst werden. Eine O.R. von 1 bedeutet, dass es keinen Unterschied in den Odds gibt; ist die O.R. >1, sind die Odds der ersten Gruppe größer; ist sie <1, sind sie kleiner als die der zweiten Gruppe.

Wie groß ist die Erkrankungsgefahr, je nach Verursachung?

Man geht zunehmend davon aus, dass die Vorlaufzeit lange dauert und dass mehrere Einflüsse zusammentreffen müssen, damit es zum Prostatakrebs kommt.
Häufig ist es erst das Zusammentreffen verschiedener Verhaltensweisen und/oder Umwelteinflüsse, die gemeinsam mit angeborenen „Krebsgenen“ und fehlerhaften Reparaturgenen die „Krebsentstehung“ und den Krankheitsausbruch bestimmen. Insofern ist es sehr schwierig, den einzelnen Risikofaktoren ein zahlenmäßiges Grading ihrer Bedeutung und Einflüssen entsprechend zuzuordnen. Die im Folgendne angegebenen Abstufungen (Gradings) sind daher hypothetisch.

Die Erkrankungsgefahr für Prostatakrebs im Vergleich zur Normalbevölkerung (x = wahrscheinlich erhöht, xx = doppelt so hoch, xxx = mehr als doppelt so hoch, xxxx = sehr hohes Risiko)

  • Fortgeschrittenes Alter (xxxx)
  • Erkrankter Angehöriger < 50 Jahre (xxx)
    • Ein Vater oder Bruder an Prostatakrebs erkrankt (xx)
    • Zwei oder mehr Angehörige ersten Grades an Prostatakrebs oder Brustkrebs erkrankt (xxxx)
    • Genveränderungen auf den Chromosomen 8 q24 sowie 17q12 (xxxx)
    • Angeborene Genveränderungen (z. B. HPC1, MSR1, ELAC2) (xxxx)
    • Träger einer BRCA 1-Mutation (xx) Träger einer BRCA 2-Mutation (xxxx) Fusionsgen TMPRSS2/ERG (xx) Ein eieiig erkrankter Zwillingsbruder (xxxx)
    • Ein zweieiig erkrankter Zwillingsbruder (xx)
    • Wenn mehrere weibliche Angehörige ersten Grades vor dem 50. Lebensjahr an Brustkrebs erkrankten (xx)
  • Hochgradige prostatische intraepitheliale Neoplasie (HGPIN) (xxxx)
  • PSA-Spiegel >2ng/ml bei 40 -49 jährigen Männern (XXX)
  • PSA-Spiegel >3ng/ml bei 50– 59 jährigen Männern (XX)
  • PSA-Spiegel >4 bei >60 jährigen Männern und weiterer Anstieg des PSA Spiegels im Blut (xxxx)
  • Zufällige Entdeckung eines stummen (latenten) Prostatakarzinoms bei einer Operation (xx)
  • Geschlechtskrankheit (xx)
  • Chronische Prostatitis (xx)
  • Adipositas (BMI> 30) (xx)
  • Übergewicht (BMI zwischen 27 und 30 und Insulinresistenz) (x)
  • Fleisch- und fettreiche Ernährung (xx)
  • Nahrungsergänzungsmittel mit hohen Dosen von Vitamin E (x)
  • Starker Alkoholkonsum (x)
  • Einnahme androgenhaltiger Stärkungsmittel im fortgeschrittenem Lebensalter (xx)
  • Körperliche Inaktivität (xx)
  • Tabakabusus (x)
  • Vasektomie (x)
  • Zeugungsunfähigkeit (x)

Welche Einflüsse begünstigen die Entstehung von Krebszellen (Tumorinitiation) und welche die weitere Entwicklung (Tumorpromotion)?

Für die Entstehung von Genmutationen (Tumorinitiation) und die weitere Entwicklung (Tumorpromotion) sind andere Einwirkungen verantwortlich. Angeborene „Krebsgene“ und Genmutationen allein, sowie einzelne fehlregulierte Zellen, führen nicht zwangsläufig zu einer Krebskrankheit. Man schätzt, dass die Mehrheit der im Laufe des Lebens entstehenden Genschäden dank Reparaturgenen repariert oder gar eliminiert wird. Das Gen p53 ist z. B. ein solches Reparatur-Gen (Tumorsuppressor-Gen). Ist es geschädigt (mutiert), so erhöht sich das Risiko einer Krebserkrankung.

Die Dominanz (Penetranz) der Gene spielt eine Rolle. Hierunter versteht man die Stärke des Gens (Dominanz) sich durchzusetzen (Penetranz), also die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Krebserkrankung kommt. Nicht zuletzt bestimmen „epigenetische“ Faktoren, ob mutierte Krebsgene aktiv werden oder nicht.
Damit sich kranke Zellen vermehren und ein Tumor entsteht, der das Gewebe infiltriert, bedarf es weiterer Faktoren, nämlich der Tumorpromotoren. Somit sind drei Faktoren Voraussetzung zur Tumorbildung: Zum einen Genmutationen, zum Zweiten epigenetische Einflüsse und zum dritten Tumorpromotoren als Wegbereiter für eine Vermehrung und Gewebeunvasion. Natürlich spielen auch Schutzfaktoren eine Rolle, die kranken Zellen erkennen und gegebenenfalls eliminieren.

Welche Phasen unterscheidet man bei der Krebsentwicklung?

In der ersten Phase kommt es zu Genmutationen, die eine Entartung der Stammzellen und Vorläuferzellen herbeiführen können (Tumorinitiation). Bestimmte Karzinogene sind in dieser Phase der Tumoriniation sehr bedeutsam. In der zweiten Phase erfolgt eine Vermehrung und Infiltration der geschädigten Zellen in das gesunde Gewebe. Der Übergang zur dritten Phase der Krebsentwicklung – nämlich von der Krebsinvasion bis zum klinischen Erscheinungsbild mit Beschwerden – ist fließend. Je nach Einwirkung des Tumorpromotors kann die Latenzzeit kürzer oder länger sein. Die körperliche Aktivität ist ein wichtiger Promotor, der über die Zeitdauer mit entscheidet.
In der letzten Phase des Krebsleidens kommt es oft zu erneuten Genmutationen im Tumorgewebe, wodurch sich die Aggressivität der Krankheit noch steigert. In dieser Phase verselbständigt sich diese; epigenetische bzw. tumorinhibierende Einflüsse von außen haben kaum noch Einfluss; lediglich medikamentöse und/oder strahlentherapeutische oder operative Interventionen können jetzt den Krankheitsverlauf noch aufhalten.
Im Verlaufe des Lebens treten vermutlich bei fast jedem Mann bösartig entartete Zellen in der Prostata auf: als Folge von Fehlern in der Genstruktur, durch fehlerhafte Reparaturmechnainmen, einer verminderten Apoptose, einer ineffektiven Immunreaktion. Dennoch werden die Krebszellen bzw. die Krebsvorstufen nur bei Wenigen klinisch relevant und führen zu Beschwerden. Die Krebszellen beginnen erst dann sich zu vermehren und die Krebsvorstufen zu wachsen, wenn Tumorpromotoren hinzu kommen, die entweder die Mikroumgebung der Krebszellen für das Zellwachstum günstig werden lassen oder die Aggressisität der Krebszellen steigern. Die Krebsvorbeugung setzt primär bei diesen Tumorpromotoren an

Welche Ursachen führen zur Krebsentstehung (Tumorinitiation)?

In der Regel ist Prostatakrebs multifaktoriell bedingt, so dass sich keine einfache Ursache-Wirkung-Beziehungen ausmachen lassen. Meist sind es mehrere Ursachen gleichzeitig bzw. eine Verkettung von angeborenen oder später erworbenen Risikofaktoren.
Zu den Tumorinitiatoren zählen neben der genetischen Ausstattung, den angeborenen Genvarianten und schadhaften Risikogenen auch im späteren Leben erworbene Genmutationen. Auslöser für diese Genmutationen können Viren, Strahlung oder Giftstoffe, aber auch einfach der Alterungsprozess sein. Mit wachsendem Alter nimmt die Zahl der Mutationen, und damit auch das Krebsrisiko. Je stärker die Penetranz der mutierten Gene und je höher die Schädigung der Reparaturmechanismen, desto größer ist das Krebsrisiko. Es findne vielfältige Interaktionen statt, die die Vorhersage einer Erkrankung und daher auch eine wirksame Prävention erschweren.
Zwei Typen von Genen sind zu unterscheiden, die Onkogene und die Tumorsuppressor-Gene. Die Onkogene steuern das Wachstum, die Teilung und die Entwicklung von Zellen. Werden sie durch eine Mutation verändert oder ihre Kopienzahl erhöht, kann dies zu einer Krebserkrankung führen. Tumorsuppressor-Gene wirken hingegen wie Bremsen, sie kontrollieren die Zellteilung oder lösen einen programmierten Selbstmord schadhafter Zellen aus. Fallen sie aus, sei es durch Mutation oder durch Löschung – entfällt auch die von ihnen ausgehende Kontrolle. Die Folge kann Krebs sein.
Besonders empfindlich für schädliche Einflüsse ist die Erbsubstanz während der Zellteilungs – und Verdopplungsphase. Zellen, die sich häufig teilen, sind anfälliger als Gewebezellen, die sich kaum teilen.

Typische Noxen (Genmutagene), die zur Krebsentstehung beitragen.

  • Ionisierende Strahlen wie die Röntgen- oder radioaktive Strahlung, ultraviolettes Licht
  • Polyzyklische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Benzol, Chrom(VI)-Verbindungen und Nitrosamine
  • Mycotoxine (z. B. Aflatoxine)
  • Bestimmte Viren (Oncoviren)
  • Anorganische Stoffe wie bestimmte Pflanzenschutzmittel (z. B. Nitrofen)

Wie werden Schadstoffe im Hinblick einer möglichen Krebswirkung untersucht?

Die meisten vor Einführung eines Medikamentes notwendigen toxikologischen Untersuchungen in der Pharmaindustrie – und auch in der Arbeitsmedizin – beschränken sich so gut wie ausschließlich auf mögliche Einflüsse einer Tumorinitiation (Mutagenitätsuntersuchungen), obwohl Tumorpromotoren für die Entwicklung von Prostatakrebs  mindestens ebenso wichtig sind. Der Hauptgrund hierfür ist, dass sich mutagene Auswirkungen leichter überprüfen lassen. Wegen der vielen Interaktionen und der notwendig langen Expositionszeit lassen sich epigenetische Einflüsse auf die Krebsentwicklung und auf das „Micro-environment“ wesentlich schwerer feststellen. Man ist zu deren Überprüfung weitgehend auf Befunde in Fallkontroll- und Beobachtungsstudien angewiesen.
Ähnliche Vorwürfe gelten der Krebsprävention, die bislang zu einseitig darauf fokussiert war, Mutationen zu verhindern und die Bedeutung der epigenetischen Beeinflussung dabei vernachlässigte.

Quelle und Buch-Tipp:

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